037 - Klinik der Verlorenen
gezwungen wird, das zu tun, was der Alte sagt. Der Professor muß ein Druckmittel gegen ihn in der Hand haben, aber ich weiß nicht, welches. Ich habe sie eben diskutieren gehört. Sie sind nicht einer Meinung über das, was hier geschieht. Meiner Meinung nach ist Flamants gegen die Injektionen Sarlieffs. Aber trotzdem läßt er ihn machen, was er will. Das überrascht mich außerordentlich. Das ist nicht Flamants’ Art, den Launen anderer nachzugeben.«
»Ariane, wo sind Dominique, Olga, Rosy, Jeanne, Elisabeth und Henriette? Wissen Sie es?«
»Nein«, murmelte sie. »Um das herauszufinden, müßte ich eine Nacht oder mehrere hier verbringen. Aber Eliane bewacht alles. Man müßte unten, bei den Laboratorien, suchen. Ich kenne mich hier auch nicht aus. Das Gebäude ist neu, und ich habe nur zu Beginn die Laboratorien gesehen.«
Eliane erschien mit dem Essen.
Ariane beugte sich zu mir und näherte die Lippen meinem Ohr.
»Wären der Herr Doktor und ich nicht so bekannt in der Stadt, ich glaube, Sarlieff würde nicht zögern, uns zu eliminieren. Da er es nicht tun kann und weiß, daß wir gegen seine Experimente sind, tobt er vor Wut. Aber der Herr Doktor wird es überstehen. Lise, ich habe Angst …«
Sie mußte mich verlassen, denn Eliane kam zu mir und hielt mir einen Teller hin.
»Ich bleibe den ganzen Tag in der Klinik«, sagte Ariane laut. »Ich komme nach dem Essen wieder.«
Eliane versuchte, Norma aus ihrem tiefen Schlaf zu wecken, aber vergebens. Sie würde wohl bald ihre Krise haben …
Mary und Clarice aßen lustlos. Ich dachte über Arianes Worte nach. Es gab doch eine Polizei. Ein Wort von Eric, und der Spuk hätte ein Ende, dachte ich. Er war der einzige, der etwas tun konnte …
»Kein Mensch würde glauben, daß wir nichts als Versuchskaninchen sind«, sagte Clarice, »wenn man uns beim Essen zusehen könnte. Ohne die Injektionen des alten Sadisten könnte man meinen, wir wären in einem Palast.«
Eliane drehte sich erbost um.
»Schweigen Sie!« rief sie. »Ihre dummen Bemerkungen sind, eine Beleidigung für einen gelehrten Mann, der sein Wissen in den Dienst der Allgemeinheit stellt.«
»Haha!« lachte Clarice trocken.
»Clarice, das wird Ihre Situation nicht besser machen«, meinte ich ruhig.
»Sind Sie so glücklich darüber, hier eingesperrt zu sein, Lise?«
»Je mehr Sie darüber reden, um so weniger wird sich ändern.«
»Das ist mir auch egal. Aber mir wird man keine dieser verdammten Spritzen mehr geben, das weiß ich. Außer man bindet mich an. Und dann macht es mir auch nichts, denn dann sehe ich endlich, wohin unsere Leidensgefährtinnen verschwunden sind. Aber ich werde es dieser Bande von Sadisten nicht leicht machen, das verrate ich Ihnen.«
Wieder befahl ihr Eliane zu schweigen.
»Ihnen müßte man das Serum spritzen«, rief Clarice. »Dann würden Sie endlich eine Weile Ruhe geben.«
»Wenn Sie Vertrauen haben und sich behandeln lassen, wird man Sie bald entlassen. Dann können Sie tun, was Sie wollen. Aber Ihr kleines Hirn kann nicht begreifen, daß es Menschen gibt, die um das Wohl der anderen besorgt sind.«
»Ich sagte ja, der alte Affe sollte Sie behandeln, damit Sie selbst in den Genuß des Wohls kommen.«
Clarice warf die Gabel in Elianes Richtung, dann folgte der leere Teller, dann das Glas. Glücklicherweise war alles aus Plastik. Eliane wurde rot vor Wut.
»Na, los!« rief Clarice. »Wollen Sie nicht alles wieder einsammeln?«
Clarice übertrieb. Ich bekam Angst. Aber ohne sie eines Blickes zu würdigen, bückte sich Eliane und sammelte die verstreuten Gegenstände wieder ein. Dann verschwand sie in ihrem Zimmer.
Drei Minuten später trat Sarlieff ein, und Eliane und Ariane folgten ihm.
»Was ist los, Mademoiselle Leew?« fragte der Professor böse.
Clarice zog die Brauen hoch und maß den Professor von oben bis unten.
»Ach, soll etwas los sein?«
»Sie werfen andauernd mit verschiedenen Gegenständen nach mir und beleidigen mich«, rief Eliane hysterisch.
Clarice lächelte und schüttelte leicht den Kopf.
»Professor, die arme Schwester ist bereits verrückter als die armen, kleinen Mädchen, die Sie in Ihrem Schlafzimmer einsperren.«
Unter dieser Beschuldigung wurde Sarlieff kreideweiß.
»Was haben Sie gesagt? Mein Schlafzimmer?«
»Wo sollen sie sonst sein?« zischte Clarice. »Wo sind diese Mädchen, die Sie wegbringen ließen? Doch sicher in Ihrem Schlafzimmer, Sie Lustgreis!« Sie bluffte. Wir wußten es, aber Sarlieff nicht. Er
Weitere Kostenlose Bücher