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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jose Michel
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entlang. Aber Clarice schien einen sechsten Sinn für die Hindernisse im Dunkel zu haben. Geschickt umging sie den Tisch in der Mitte des Saales und die Betten.
    Wir schlichen an Elianes Tür vorbei und zur Eingangstür. Vorsichtig öffnete Clarice die Tür und schloß sie wieder. Draußen auf dem Korridor knipste sie die Taschenlampe an, und wir folgten dem dünnen Lichtstrahl.
    Während ich die Lampe hielt, machte Clarice sich mit meinen Haarnadeln an dem großen Kasten zu schaffen. Zwei Minuten genügten. Langsam zog die die knarrenden Türen auf. In der Finsternis, die uns umgab, klang es wie Maschinengewehrfeuer.
    Aber ruhig suchte Clarice unter den Kleidungsstücken nach ihren Sachen. Alles war ordentlich zusammengelegt, mit den Namen der Eigentümerinnen auf Anhängeschildchen.
    Sie nahm ihre Reisetasche heraus und räumte ihre Sachen hinein. Einen Augenblick lang dachte ich daran, es ihr gleichzutun und zu fliehen, aber meine Liebe zu Eric war stärker. Ich wollte seine Geschichte kennen, ihm helfen können und meine Arbeit als Sekretärin antreten. Und ich wollte die Verschwundenen wieder finden.
    Ich löschte die Taschenlampe und folgte Clarice. Sie öffnete eine Tür und stellte ihre Reisetasche in den leeren Raum dahinter. Dann gingen wir zur Treppe, die in die Tiefe führte. Hier war ich wieder gezwungen, die Taschenlampe einzuschalten. Die Treppe schien unendlich lang. Alles war still.
    Ich wunderte mich, daß man uns unter der Obhut einer einzigen Person ließ. Aber da wir meist unter dem Einfluß von Schlafmitteln stehen sollten, war es nicht weiter verwunderlich.
    Endlich erreichten wir einen großen Vorraum, der von grünlichem Licht erleuchtet wurde. Eine große Tür führte in ein Laboratorium, und daneben befand sich noch eine schmalere Tür.
    Clarice bedeutete mir, daß sie hier die seltsamen Geräusche gehört hatte. Wir hielten beide ein Ohr gegen die Tür. Nichts.
    Langsam drehte ich den Knauf an der Tür. Sie öffnete sich, und die Überraschung nagelte uns auf der Stelle fest.
    Ich trat zuerst ein, Clarice hielt sich an meiner Hand fest. Der Raum war absolut leer. Wir sahen eine zweite geschlossene Tür.
    Mein Herz klopfte schneller. Endlich würden wir dem Geheimnis auf die Spur kommen. Endlich würden wir entdecken, was Sarlieff mit unseren Freundinnen getan hatte.
    Ohne daß wir weitergegangen wären, öffnete sich die Tür vor uns langsam. Auf der Schwelle erschien eine große, magere Frau. Ihre schwarzen Augen betrachteten uns von oben bis unten, und sie fragte: »Was tun Sie hier? Wer hat Sie hierher gesandt?«
    »Niemand hat uns geschickt«, sagte ich entmutigt.
    Die Frau erkannte augenblicklich, woher wir kamen: im Schlaf rock, die Pantoffeln in der Hand, mit verschreckten Gesichtern …
    »Es war leicht für Sie, hier einzutreten«, sagte sie ausdruckslos. »Aber es ist fast unmöglich, hier wieder hinauszukommen. Ein Magnetstrahl hält die Tür fest verschlossen. Nur die Ärzte haben den Schlüssel dazu. Nicht einmal ich selbst könnte hinaus.«
    Clarice drehte sich um, aber tatsächlich: die Tür hinter uns hatte sich von selbst geschlossen. Wir sahen einander an. Clarice schluckte.
    Die Frau sagte fast liebenswürdig: »Nun, da Sie schon einmal hier sind, treten Sie ein.«
    Wir traten in einen großen runden Raum. Entlang der Wand standen ein Dutzend Betten und zwei Kinderbettchen. Alles war peinlich sauber und in Ordnung.
    Sprachlos vor Schreck lasen wir die Namen, die an jedem Bett und an den Kinderbettchen befestigt waren: Dominique Martin, 50 Jahre, Olga Valinof, 16 Jahre, Rosy Clarmond, 17 Jahre, Elisabeth Rivenas, Jeanne Voisin, Henriette Astier.
    Alle schienen tief zu schlafen. Dominique war ein Baby mit zu großen, zu faltigen Händen. Wie Olga lag sie in einem Kinderbettchen. Die anderen schienen etwa zehn Jahre alt zu sein.
    Ich glaubte zu träumen. Clarice krallte sich an meiner Hand fest, und ich spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden.
    »Nun haben Sie alle wieder gesehen«, sagte die Frau. »Ich bin die Kinderschwester und habe für die Kleinen zu sorgen. Das ist nicht ganz einfach, denn ihr Gehirn hat sich ja nicht geändert. Sie verstehen alles, was man sagt, benehmen sich aber so wie es ihrem jetzigen Alter entspricht. Das können sie nicht ändern. Aber bald wird es dem Professor gelingen … Wenn man nur überzeugt sein könnte, daß die Behandlung nicht bis zum völligen Verschwinden der Person führt, könnte man jetzt bereits darangehen, es verstärkt

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