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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jose Michel
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lief. Und die Verstärkung würde augenblicklich eintreffen …
    Ohne auf unsere Gegenwart Rücksicht zu nehmen, zog Clarice das Nachthemd aus und mit unglaublicher Geschwindigkeit ihre Straßenkleidung an. Sie schloß ihre Reisetasche, und ohne ein Wort des Abschieds ging sie zur Tür.
    Was ich vorhergesehen hatte, geschah. Ich hörte die Schreie und begann am ganzen Körper zu zittern. Ich hätte viel darum gegeben, wenn es Clarice gelungen wäre, freizukommen. Sie hätte von unserem Schicksal draußen berichten und die Behörden verständigen können.
    Nach genau sieben Minuten war Clarice wieder da. Die beiden Krankenschwestern zogen sie hinter sich her und rissen ihr die Kleider vom Leib. Clarices Widerstand war zwecklos, denn die beiden Schwestern waren kräftig wie Ringkämpfer und an diese Arbeit gewöhnt. Sie warfen Clarice auf ihr Bett und zogen ihr die Zwangsjacke über.
    Schweigend verließen uns die beiden Schwestern wieder, und Eliane beugte sich höhnisch lächelnd über Clarice.
    »War es das, was Sie wollten? Von hier kann man nur mit einer Erlaubnis des Professors hinaus, meine Liebe.« Clarice weinte nicht, als Eliane gegangen war. In ihrem Gesicht stand nichts als der blanke Haß. Ihre Augen glitzerten gefährlich, und der Schweiß rann ihr über die Stirn.
    »Das werden sie mir alle bezahlen«, knirschte sie. »Das war nicht das Ende. Ich komme hinaus!«
    Ich verließ mein Bett und trat zu ihr. Mit einem Tuch wischte ich ihr über die Stirn.
    »Man will uns mit Gewalt hier behalten«, keuchte sie. »Keine von uns ist verrückt. Auch Rosy war es nicht. Und wo ist sie jetzt? Und Elisabeth und Jeanne? Sie sind irgendwo in dieser verdammten Hütte eingesperrt … Eines Tages zünde ich alles an.«
    »Still, Clarice!« flüsterte ich erschreckt. »Wenn der Professor hört, was Sie eben sagten, so läßt er Sie wegbringen.«
    Ich hätte ihr gern die Zwangsjacke ausgezogen, wagte es aber nicht. Sie erriet meine Gedanken, denn sie sagte: »Tun Sie nichts, Lise. Sie würden dafür bezahlen, und das will ich nicht. Ich warte, bis man mich befreit. Gehen Sie zurück in Ihr Bett, es ist besser so …«
    Ich verließ sie und legte mich wieder hin. Deprimiert dachte ich daran, daß Clarice mit einem kleinen bißchen Hilfe unsererseits in diesem Augenblick bereits frei sein könnte. Und spätestens abends wären wir vermutlich bereits alle draußen.
    Es war vierzehn Uhr dreißig, als zwei Arbeiter in unseren Saal kamen und unter dem strengen Blick Elianes darangingen, die unvergitterten Fenster an der einen Seite des Raumes mit engmaschigem Draht zu versehen.
    So hatten wir also nur mehr den Blick auf Gitter und fühlten uns noch mehr wie Gefangene.
    Während die Arbeiter noch an den Gittern beschäftigt waren, fragte Clarice Eliane: »Wie lange soll ich noch die Zwangsjacke anbehalten, Schwester?« Eliane fuhr herum, wie von der Tarantel gestochen.
    »So lange, bis der Herr Professor zurückkommt.«
     

     
    In der darauf folgenden Nacht transportierte man Henriette weg. Sie schrie so lange, bis ihre Stimme versagte. Ich werde den Blick nie vergessen, den sie mir zugeworfen hatte, bevor man sie wegbrachte.
    Nun waren wir nur noch vier.
    Ich betete, daß nicht eine neue Patientin kam, um eines der freigewordenen Betten zu belegen. Dieses Kommen und Gehen mußte aufhören. Es war ungerecht, daß die armen, verzweifelten Mädchen, ermutigt von gewissenlosen Leuten wie Maria Ferat, in die Klinik kamen, um hier gequält zu werden – weil sie zufällig allein auf der Weltständen.
    Es war zehn Uhr vormittags, aber weder Ariane noch Eric hatten sich bisher gezeigt. Sie schliefen nicht in der Klinik, und es war ein Glück gewesen, daß Eric anwesend war, als ich meine Krise bekam. Eliane ging im Saal auf und ab, seit Henriette weggebracht worden war. Vielleicht versuchte sie sich einen Reim auf die verwirrenden Geschehnisse hier zu machen?
    Auch wenn sie dem Professor treu ergeben war, so hielt sie das nicht davon ab, sich Gedanken zu machen. Sie hatte die Möglichkeit, die neu angekommenen Patientinnen zu sehen und die Wirkung der Injektionen zu beobachten.
    Die Visite stand bevor, und ich sehnte mich danach, Eric zu sehen. Aber es war der Professor, der als erster eintrat, wie immer gefolgt von Eric und Ariane.
    Einen Augenblick lang stand er vor mir und sah mich an.
    »Man möchte glauben, mein Serum hat aufgehört zu wirken«, sagte er dann langsam. »Das ist das erste Mal, daß so etwas passiert. Was denken Sie

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