037 - Klinik der Verlorenen
Nötige veranlassen. Warten wir jetzt einmal auf Setoni, und dann werden wir sehen.«
Ich stellte die Frage, die mich die ganze Zeit über beschäftigte.
»Eric, haben Sie gewußt, daß sie Sie liebt?«
Er zog die Brauen hoch, und eine tiefe Falte erschien auf seiner Stirn.
»Nein, Lise. Ich dachte, daß sie mich gern hat, daß sie mich vielleicht ein bißchen bewundert – aber lieben? Nein …«
Ariane kehrte zurück und sagte unfreundlich: »Dr. Setoni kommt sofort.«
Er dankte ihr und sagte leise: »Ich brauche Sie im Moment nicht, Ariane.«
Sie warf mir einen kühlen Blick zu und verschwand.
Setoni kam tatsächlich fast sofort.
»Was gibt´s? Schwierigkeiten?« fragte er.
»Mademoiselle Tellier hat sich in der vergangenen Nacht verändert«, sagte Eric und nahm meine Hand.
Setoni betrachtete mich lange. Sein Gesicht zeigte keine Bewegung. Dann strich er sich mit dem Handrücken über die Stirn und wandte sich an Eric.
»Ich verstehe überhaupt nichts, mein Lieber«, meinte er und schüttelte den Kopf. »Alle anderen Kranken sind auf dem Weg der Besserung. Das hat nichts mit der Blutgruppe zu tun. Es gilt einzig und allein, Sarlieffs Serum aus dem Kreislauf zu eliminieren.« Er sah mich nachdenklich an. »Wo ist mein Serum?« fragte er.
Eric ließ meine Hand los, stand auf und sagte: »Ich werde es holen.«
Als er zurückkam, hatte er die wohlbekannte Schachtel in der Hand und reichte sie Setoni. Setoni hob den Deckel ab und zählte die Glasröhrchen. Erstaunt hob er den Kopf und blickte von Eric zu mir.
»Ich dachte, es wären acht Kranke?« fragte er und ließ den Blick durch den Saal wandern. »Es wurden heute nur sieben Ampullen verwendet. Eine der Patientinnen hat mein Serum nicht erhalten. Ich glaube, Eric, Sie sollten die Spritzen persönlich verabreichen.«
Wie konnte Ariane vergessen, die Ampulle, die für mich bestimmt war, zu entfernen? Das war sehr leichtfertig von ihr. Oder war sie so sicher, daß ich nichts verraten würde?
Setoni nahm zwei Ampullen aus der Schachtel und füllte eine Spritze. Ich streckte den Arm aus. Als er fertig war, wandte er sich an Eric.
»Ich glaube, es gibt hier zu viele Personen, die Sarlieff ergeben sind. In Anbetracht der Umstände wäre es vielleicht besser, Sie würden selbst darüber wachen, daß Ihre Anordnungen hier befolgt werden. Außerdem habe ich den Eindruck, daß Ihre Gefühle für Mademoiselle Tellier manche Leute stören.«
»Sie haben recht«, sagte Eric. »Ich werde mich vorsehen.«
Setoni sah mich an.
»In zwanzig Stunden werden Sie den Effekt sehen, Mademoiselle Tellier. Seien Sie jetzt ganz ruhig.«
Die Hoffnung erwachte wieder in mir.
»Danke, Herr Doktor«, sagte ich in meiner Kleinmädchenstimme.
Der Tag verging unendlich langsam. Ich brachte es kaum fertig, allein zu essen und fühlte mich schwach wie nach einer langen Krankheit.
Als Eric wieder kam, fragte ich ihn nach Sarlieffs Zustand.
»Sein Herz schafft es nicht mehr«, sagte Eric. »In seinem Alter kann man nicht ungestraft die Nächte durcharbeiten, was er in letzter Zeit oft getan hat, um sein Serum herzustellen. Gestern noch glaubte ich ihn durchbringen zu können, aber heute weiß ich, daß er nur mehr Stunden zu leben hat. Maria bemüht sich ihn zu veranlassen, ein detailliertes Geständnis zu schreiben. Wenn ihr das gelänge, wäre mir sehr geholfen. Es würde mich von dem Verdacht an der Mitschuld befreien. Aber ich weiß nicht, ob er es tun wird. Was auch passiert, Lise, eines weiß ich: daß ich Sie nie vergessen werde …«
Er unterbrach sich, schwieg einen Augenblick lang und setzte hinzu: »Natürlich weiß Sarlieff genau, wie es um ihn steht. Er ist bei vollem Bewußtsein, und als Mediziner gibt es keinen Zweifel für ihn. Er weiß, daß sein Tod nahe ist.«
»Warum gibt er Ihnen jetzt nicht das Papier zurück, auf dem Sie den Einbruch in seinen Safe zugeben? Dann hätten Sie zumindest von dieser Seite aus nichts mehr zu befürchten.«
»Das möchte ich sehr gern, aber …« Seine Augen sahen mich traurig an. So entmutigt hatte ich ihn noch nie gesehen.
Ich wußte, daß mein Zustand ihn sehr beunruhigte. Sein großes Vertrauen, seine Zuversicht waren überschattet. Vermutlich dachte er wie ich daran, daß nach Olga und Dominique die dritte winzige, formlose Leiche ich sein würde …
»Wenn ich die Klinik verlassen muß, nehme ich Sie mit, Lise. Ich lasse Sie zu mir nach Hause bringen. Meine Haushälterin wird sich um Sie kümmern, das ist eine
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