037 - Klinik der Verlorenen
sein Geständnis geschrieben, ich werde völlig entlastet. Er hat mir auch das Papier zurückgegeben, das sich auf den Einbruch bezog. Ich habe es verbrannt. Jetzt habe ich nur mehr eine Sorge, und das sind Sie. Aber ich bin überzeugt davon, daß wir schon morgen eine Besserung feststellen werden.«
Wie gern ich ihm geglaubt hätte!
»Ariane hat lange mit mir gesprochen«, sagte ich. »Sie haßt mich so sehr, daß sie meinen Tod kaum erwarten kann. Eric, ich fürchte mich vor ihr. Ich möchte aus diesem Saal weg.«
Er bereitete meine Spritze vor.
»Ich möchte kein Aufsehen, Lise«, meinte er. »Ariane kann Ihnen nichts tun. Von morgen an wird sie in der großen Klinik arbeiten. Ich habe es ihr noch nicht gesagt, ich möchte das erst im letzten Augenblick tun.« Er reinigte meine Armbeuge mit Alkohol und injizierte das Serum. »Ich werde auch heute Nacht wieder hier schlafen, Lise«, sagte er. »Seien Sie nur ruhig.«
Er zog die Nadel aus meinem Arm, verstaute die Sachen wieder in der Schachtel und küßte mich schnell auf den Mund.
Ich spürte einen wohligen Schauer durch meinen Körper rinnen.
»Möchten Sie ein Schlafmittel, Lise?«
»Danke, Eric. Ich schlafe so gut wie ein Baby.«
Er lächelte, was er seit Tagen nicht getan hatte. Ich war froh darüber. Wenigstens seine persönlichen Schwierigkeiten hatten sich zu seinem Vorteil gelöst.
Er setzte sich auf mein Bett.
»Setoni wird in Zukunft in Sarlieffs Laboratorien arbeiten«, sagte er. »Und Maria wird nach Österreich zurückkehren. Ich werde ihr Geld geben, denn sie steht jetzt völlig mittellos da. Später würde ihr ihre Familie helfen, sagte sie. Für Sie hoffe ich das Beste, Lise. Ich denke, in sechs Tagen etwa werden Sie wieder auf den Beinen sein. Sie werden Ihre frühere Größe wieder erlangt haben.« Er beugte sich ganz dicht zu meinem Gesicht herab. »Und wir werden die glücklichsten Menschen auf der Welt sein.«
Wie gut es tat, ihn Pläne schmieden zu hören! Aber meine Zweifel blieben. Ich konnte weder seine Zuversicht noch seine Freude teilen. Ich würde aber sein Lächeln und seinen letzten Kuß bis zuletzt in Erinnerung behalten.
»Wärst du einverstanden, mit mir in meiner Villa zu leben?« fragte er.
»Oh, natürlich, Eric!«
Wieder nahm er mich in seine Arme, während die anderen Patientinnen uns aus den Augenwinkeln zusahen und lächelten. Eliane saß an einem Fenster und gab vor, sich für irgend etwas zu interessieren, das sie im Schoß hielt und das ich nicht sehen konnte. Zweifellos würde sie alles Ariane erzählen. Seit einiger Zeit sprachen die beiden häufig und lange miteinander.
Eric sagte mir gute Nacht und verstaute die Schachtel wieder im Kasten. Er verschloß ihn fest. Ich wußte, daß er Arianes Schlüssel an sich genommen hatte.
Nun war ich ruhiger. Was auch geschah, sie konnte an Setonis Serum nicht heran, und alle anderen auch nicht.
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Kribbeln in den Gliedmaßen und Schwindelanfälle hielten mich wach.
Es wurde Tag, aber der Himmel war bedeckt, und es blieb etwas dämmrig. Ich fühlte mich fiebrig, und mein Mund war trocken. Meine Lider brannten.
Ich konnte mich nicht bewegen. Ich betrachtete meine Hände, die noch kleiner als am Vortag waren. Es waren Babyhände und Babyfinger!
Ich versuchte zu sprechen, aber nur unartikulierte Laute kamen aus meiner Kehle. Ich stieß einen Schrei aus. Es war der Schrei eines Babys.
Eliane trat zu mir, blickte mich an und erschrak.
»Herr Doktor!« rief sie. Eric, der in Elianes Zimmer geschlafen hatte, kam herausgelaufen. Zwei Gesichter beugten sich über mich.
Erics Mund zuckte. Eliane war dunkelrot.
»Herr Doktor«, sagte sie heiser. »Ist das möglich?«
Erics verzerrte Züge drehten mir das Herz im Leib um. Wie sehr er leiden mußte! Zart nahm er mich aus den Decken und drückte mich an sich.
»Lise, mein Armes, Kleines … Sei nicht verzweifelt. Du wirst auch das überstehen.«
Eliane weinte lautlos.
Ich war überrascht, daß sie an meinem Unglück Anteil nahm. Mein Gehirn funktionierte ausgezeichnet. Ich war völlig klar, und meine Gedanken kamen mühelos und deutlich. Nur war alles um mich her so groß, die Fenster waren riesig, der Tisch unüberblickbar. Die Personen schienen Giganten zu sein.
Eric wiegte mich hin und her, und das mochte ich nicht. Ich schrie aus Leibeskräften.
»Wir werden sie ins Kinderbettchen legen, Herr Doktor«, sagte Eliane. »Sie wird hungrig sein, wenn sie so schreit.
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