0374 - Der Inka-Henker
ja meine Erfahrungen mit lebenden Leichen gesammelt.
Auf die Knie war er gekommen. Ich selbst kam mir vor wie als Zuschauer bei einem Theaterstück, wobei der Platz vor dem Pfarrhaus die eigentliche Bühne darstellte.
Der Zombie bewegte den Kopf und reckte den Oberkörper in die Höhe, wobei er noch den Rücken durchbog und in einer knienden Haltung bewegungslos verharrte.
Weshalb er dies tat, wußte ich auch nicht zu sagen, jedenfalls schien diese Haltung von der Figur gewollt zu sein, denn sie blieb nicht mehr an ihrem Platz.
Einen lautlosen Bogen schlagend und dabei immer schwebend setzte sich die Statue in Bewegung. Sie drehte uns für einen Moment den Rücken zu. Ich hörte Ernestos Stimme. »Das ist unwahrscheinlich. Mein Gott, das gibt es doch nicht.« Er stand da und hatte die Hände geballt.
Ich ließ die Figur nicht aus dem Blick und hatte wohl gesehen, daß sie den rechten Arm bewegte. Als sie sich drehte und ich sie anschauen konnte, sah ich auch, was geschehen war.
Die Statue hatte ihr Schwert gezogen.
Jetzt war sie doppelt bewaffnet.
Und plötzlich wurde sie schnell. Wir vernahmen sogar das Fauchen, als hinter ihr die Luft zusammenschlug und sich für einen Moment der rötliche Schein bildete, der ihren Weg in die Tiefe begleitete.
Sie nahm den direkten Weg zum Ziel, berührte den Boden und stand in der Nähe des Zombies.
Der hob seinen Schädel.
»Gerufen!« hörte ich ihn sprechen. »Du hast mich gerufen. Ich bin gekommen…«
Die Statue sprach nicht. Dafür tat sie etwas anderes, das selbst mich überraschte.
Sie hob den rechten Arm und ließ die Klinge im nächsten Augenblick schräg von oben nach unten sausen.
Ein Volltreffer!
Den Schlag hörten wir nicht. Wir sahen nur mehr die Folgen dieses mörderischen Hiebes.
Der Kopf des Zombies machte sich plötzlich selbständig, flog einige Meter und krachte zu Boden.
Wir hatten einer Hinrichtung zugesehen, ohne eingreifen zu können!
Der schaurige Anblick des kopflosen Körpers blieb uns auch weiterhin erhalten, denn der Zombie vor uns kippte einfach nicht um.
Ohne Kopf blieb er knien.
Der Helm hatte sich bei dem Aufprall zwar nicht gelöst, er war nur verrutscht. Er hing schräg auf dem Kopf und wirkte irgendwie lächerlich.
Ich hatte noch immer das Sausen der Klinge im Ohr, als sie herumfuhr. Diesmal nicht schnell, eher gemächlich, wie jemand, der sich seiner Sache sicher ist. Das Schwert behielt sie in der Hand. Die Spitze der Klinge wies schräg zu Boden.
Die Entfernung zwischen uns betrug nicht mehr als zwei Körperlängen. Trotz der miesen Lichtverhältnisse gelang es mir, sie eingehend zu betrachten.
Mich interessierte vor allen Dingen das Gesicht.
Irgendwie besaß es eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Eisernen Engel. Es hatte etwas Götterhaftes an sich, als wäre es ein Wesen, das über allem schwebt. Die steinernen Haare umrahmten das schmale Gesicht in Wellenform, der Mund war geschlossen, und die Farbe der Augenkonnte ich ebenfalls nicht erkennen, da das unbekannte Wesen seine Lider zur Hälfte nach unten gedrückt hatte.
Wer war sie?
»Ich… ich kenne sie nicht.« Die Worte stieß Ernesto Lazarro aus.
Es war zu hören, unter welch einem innerlichen Druck dieser junge Mann stand.
Die Statue konnte kämpfen und töten, das hatte sie uns bewiesen, aber konnte sie auch reden?
Ich machte die Probe aufs Exempel und sprach sie kurzerhand an.
»Wer bist du?«
Eigentlich hatte ich mit keiner Antwort gerechnet, daß ich trotzdem eine bekam, überraschte mich. »Ich bin der Henker!«
Sie redete sogar spanisch. Da ich das relativ gut beherrschte, verstand ich ihn.
»Welcher Henker?«
»Der Henker der Inkas. Sie haben mich verehrt. Ich habe die Bestrafungen durchgeführt und sie auch gegen ihre Feinde beschützt. Ich war es auch, der Lazarro, den Mörder und Schänder, tötete, aber ich habe ihn nicht richtig erwischt. Ich mußte ihm deshalb den Kopf abschlagen, denn noch stand er unter meinem Bann. Davon wußten nur wir. Sie haben uns in ein anderes Land gebracht. Er wurde begraben, ich geriet ebenfalls nach einigen Jahren in Vergessenheit. Bei Plünderungen warf man mich fort, weil ich nicht mit Edelsteinen und Gold behangen war. Aber die anderen ahnten nicht, wer ich bin und daß meine Rache ewig dauern wird. Ich mußte ihn töten, wie gesagt, er stand noch unter meinem Bann, so habe ich ihn gerufen, und er ist gekommen. Alle Lazarros haben meinen Ruf empfangen und werden kommen. Alle…«
»Du willst sie
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