0374 - Der Vogeldämon

fallen ließ. Es sah aus, als wäre dieser Kreis von Bäumen eigens so angepflanzt worden.
    Aber das war noch nicht alles.
    In der Mitte der Lichtung befand sich eine Säule aus Holz, auf der ein riesiger Vogel kauerte. Sein Gefieder schimmerte regenbogenfarbig, und seine Augen funkelten im Sonnenlicht.
    Der große Vogel aus Linda Crays Traum! Der große Vogel, der das letzte gewesen war, was Sammy sah!
    Hier hockte das Biest auf einer hölzernen Säule. Hier war die Lösung zumindest dieses Rätsel-Stückes. Dieses Vogel-Ungeheuer hatten sie gesehen, von hier mußte es gekommen sein!
    Unwillkürlich tastete Zamorra nach seinem Amulett. Erst, als er es berührte, fühlte er die leichte Erwärmung. In der umgebenden Hitze des Nachmittags hatte er gar nicht feststellen können, daß das Amulett eine magische Kraft signalisierte. Es sprach auf die Nähe des Vogels an.
    Eine dämonische Schnitzerei…? Das paßte zum Mord!
    Langsam näherte Zamorra sich der Schnitzerei. Er bemerkte, daß die funkelnden Augen Diamanten waren, die man in den hölzernen Vogel eingesetzt hatte. Das erklärte ihr Leuchten. Weniger erklärlich war, daß der Vogel insgesamt regenbogenfarbig schillerte. Welche Farbe war imstande, diesen Effekt zu erzielen? Sicher, es gab Metallic-Farben, die je nach Lichteinfall changierten, aber erstens waren sie sündhaft teuer, und zweitens würde kaum jemand auf die Idee kommen, eine Dämonenfigur damit zu bemalen, erst recht nicht in einem Bantu-Dorf irgendwo in Tansania. Wahrscheinlich hatte man hier von diesen Farben noch nie etwas gehört.
    Trotdzem war sie hier angewandt worden!
    Und dann die Diamanten…
    Zamorra zweifelte keine Sekunde an ihrer Echtheit. Kein Kristallglas, und wenn es noch so kunstvoll geschliffen wurde, konnte diese funkelnde Pracht hervorbringen. Aber Diamanten dieser Größe waren mehr als ein Vermögen wert!
    Der Wert eines einzelnen reichte schon, die Zerstörungen im Château Montagne zu beheben und darüber hinaus auch noch ein weiteres Schloß dazuzukaufen. Hier gab es aber gleich zwei dieser Diamanten.
    Woher kamen sie? Wer hatte sie für würdig erachtet, einer Vogelskulptur in Übergröße als Augen zu dienen?
    Zamorra ging noch ein paar Schritte näher heran. Jetzt fühlte er die Wärme des Amuletts auch so. Er stellte ein Anschwellen der magischen Kraft fest, die im Vogel lauerte.
    Du bist leichtsinnig! schalt sich Zamorra. Was geschah, wenn der Vogel plötzlich zu unheiligem Leben erwachte und ihn überraschend angriff? Zamorra faßte nach dem Amulett und wollte es auf einen Angriff des dämonischen Vogels vorbereiten.
    Er kam nicht dazu.
    Der Angriff erfolgte bereits.
    Aber er kam aus einer ganz anderen Richtung. Zamorra hatte sich vom Anblick der Holzfigur ablenken lassen und nicht mehr auf seine Umgebung geachtet.
    Er spürte noch den Luftzug. Der Schlag erwischte ihn in der Drehung und ließ ihn bewußtlos zusammenbrechen.
    ***
    Der Zauberer und die drei Männer, die ihm folgten, fanden den Geländewagen auf dem niedergetreteten Pfad. Der Zauberer machte sich keinen Vorwurf, daß der Pfad so deutlich feststellbar war. Unter normalen Umständen würde sich niemand darum kümmern. Wer hierher kam, würde anderen Wegen folgen und sich zum Dorf hin bewegen.
    Das hier aber waren keine normalen Umstände. Der Mann, vor dem der große Vogel ihn warnte, war ebenfalls nicht normal.
    Der Zauberer hob die Hand. Er lebte nicht nur in einer magischen Welt, sondern kannte sich auch leidlich mit der weltlichen Technik aus. Er deutete auf das Fahrzeug. »Moto, öffne die Motorhaube. Kennst du dich mit Motoren aus?«
    »Etwas.«
    »Dann bau den Verteilerfinger aus«, sagte der Zauberer. »Behalte ihn bei dir, vielleicht brauchen wir ihn noch. Außerdem solltest du vielleicht die Batterieklemmen von den Polen abziehen.«
    »Wird gemacht«, sagte der Mann, der Moto hieß. Er blieb beim Geländewagen zurück, um ihn unbrauchbar zu machen.
    Die beiden anderen folgten dem Zauberer weiter auf die Baumgruppe zu, zum Heiligen Ort, an dem der Vogel wohnte.
    Sie drangen lautlos ein. Sie waren es gewohnt, sich einzuschleichen, ohne Geräusche zu verursachen. Vorsichtig näherten sie sich dem weißen Eindringling und sahen, wie er Schritt für Schritt auf den Vogel zu ging.
    Er war auf die hölzerne Figur konzentriert und achtete nicht auf das, was sich hinter seinem Rücken abspielte.
    Der Zauberer nahm die Gedanken und Empfindungen auf, die von dem Vogel ausgingen. Der Regenbogenfarbene hatte