0374 - Ein Mörder rechnet zweimal ab
immer nicht entdeckt hatte, wendete ich und fuhr langsam zurück. Von der Straße biegen einige Seitenwege ab, die für Autos befahrbar sind. Dort irgendwo mußte die Frau verschwunden sein.
Schon bei der ersten Abzweigung hatte ich Glück. Nach knapp fünfzig Yard sah ich den Chrysler zwischen den Büschen.
Ich stoppte, stieg aus, schlug den Kragen meines Mantels hoch und ging langsam näher.
Der Chrysler war leer.
Der Weg machte eine Biegung, und da dieser Teil des Parks mit mannshohen wildwuchernden Büschen bestanden war, konnte ich nicht sehen, was sich hinter der Biegung befand.
Ich hielt mich dicht bei den Rüschen. Von den Blättern tropfte es, die Rinde der Zweige glänzte feucht und schwarz, und die dunkle Erde unter den Büschen roch nach Regen und Sommer. '
Dann sah ich Lydia Kovar. Sie stand ein paar Dutzend Schritte entfernt, drehte mir den Rücken zu und ging langsam auf und ab. Sie trug ein leuchtend rotes Regencape mit einer Mütze aus dem gleichen Material. In der Linken hielt die Frau eine sehr große schwarze Aktentasche.
Als ich näher ging, hörte die Frau meine Schritte und fuhr herum.
Ihr Gesicht war blaß, und die Augen hatten eine fast unnatürliche Größe.
Ich rückte an meinem Hut.
»Guten Morgen, Mrs. Kovar. Sie machen ja recht frühe Spaziergänge im Park. Ich wollte Sie abholen und zur Jagdhütte mitnehmen, wie ich versprochen habe. Ich sah, wie Sie mit Ihrem Wagen davonpreschten, und bin Ihnen gefolgt.«
Sie stand stocksteif wie ein Pfahl. Aber ihre Lippen zitterten.
»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Mr. Cotton«, brachte sie schließlich hervor. »Ich… ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten und bin deshalb hierher gefahren. Ich… ich wollte ein bißchen Spazierengehen.«
Es war offensichtlich, daß sie log. Aber ich wußte nicht, warum.
»Wollen Sie mitfahren zur Jagdhütte?«
»Nein, ich kann leider nicht. Das heißt, vielleicht… Doch, ich fahre mit.«
In ihre Augen trat ein gehetzter Ausdruck. Ängstlich blickte sie sich um.
»Erwarten Sie jemanden, Mrs. Kovar?«
»Wie? Nein. Ich erwarte niemanden. Wie kommen Sie darauf?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie können Vertrauen zu mir haben. Falls Sie in Schwierigkeiten sind…«
»Nein. Nein. Es ist alles in Ordnung«, unterbrach sie mich.
»Na gut, dann können wir fahren.«
»Ja.« Sie gab sich einen Ruck, ließ einen furchtsamen Blick noch mal in die Runde gehen und stapfte dann durch den Regen an mir vorbei in Richtung Chrysler.
»Ich bringe den Wagen in die Garage zurück, Mr. Cotton. Ich fahre dann mit Ihnen.«
»Okay.«
Sie stieg ein, stellte die Aktentasche neben sich, ließ den Motor an und wendete. Langsam rollte sie auf die Straße zurück. Ich enterte den Jaguar und folgte dem Chrysler. Wir fuhren zurück zum Apartmenthaus. Die Frau setzte den Chrysler in die Garage, kam dann zum Jaguar und setzte sich neben mich auf den Beifahrersitz. Die schwarze Aktentasche hatte sie mitgebracht.
»Ist das ein Picknick-Korb?« wollte ich wissen.
»Nein. Nein. Das ist… Ich will die Tasche nur mitnehmen.«
Mit der Antwort konnte ich soviel anfangen wie mit einem zerrissenen Schnürband.
Ich fuhr ziemlich schneidig, und schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit erreichten wir die holprige Seitenstraße, die vom 17. US-Highway abbiegt.
Lydia Kovar fiel es nicht auf, daß ich mich in dieser Gegend schon auskannte.
Wir schaukelten durch den Wald und gelangten bis zu jener Stelle, an der der Weg zu Ende war.
Kaum hatte ich den Wagen gestoppt, als die Frau auch schon die Tür aufriß und ins Freie sprang. Die Aktentasche hielt sie in der Hand.
Ich zog den Zündschlüssel ab und stieg ebenfalls aus. Die Frau stand bereits am Anfang des Pfades und blickte ungeduldig zurück.
»Nun mal nicht ganz so schnell«, sagte ich. »Wir sind ja gleich da.«
»Bitte, beeilen Sie sich, Mr. Cotton. Bitte, machen Sie schnell. Wir müssen zur Hütte.«
»Natürlich. Das wollen wir ja auch.« Ich kurbelte die Scheiben hoch und schloß beide Türen ab.
»Mr. Cotton!« erklang es ungeduldig vom Pfad her.
»Bin schon da.« Ich folgte der Frau, die wie ein Waldläufer in den fast zugewachsenen Pfad hineintauchte. Sie legte ein Tempo vor, daß ich Mühe hatte, sie einzuholen. Dann ging es nicht schnell genug. Sie war mir dauernd so dicht auf den Fersen, daß mich ihr keuchender Atem traf.
»Was ist denn los mit Ihnen?« fragte ich. »Wir sind doch in zwei Minuten da. Warum denn dieses Tempo?«
Ich erhielt keine
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