0374 - Ein Mörder rechnet zweimal ab
Antwort.
Dann erreichten wir den Rand der Lichtung, und die Jagdhütte lag vor uns. Die Fensterläden waren zur Seite geklappt. Die beiden Querbalken vor der Tür fehlten.
Lydia Kovar stieß mich fast heftig zur Seite, rannte an mir vorbei und durch das fußhohe Gras der Lichtung auf die Hütte zu. Schon nach wenigen Yard stolperte die Frau und stürzte. Sofort war ich bei ihr. Ich half ihr auf. Sie nahm sich nicht die Zeit, sich zu bedanken, sondern lief weiter, erreichte die Hütte und zerrte an der Türklinke.
Kopfschüttelnd beobachtete ich das seltsame Benehmen der Frau.
Die Tür ließ sich nicht öffnen, da sie anscheinend von innen verriegelt war. Sofort begann die Frau mit den Fäusten gegen die dicken Bohlen zu hämmern.
»Gaby! Caroline! Helen, macht auf!« Es vergingen ein paar Augenblicke, dann ertönte Helens Stimme aus dem Innern der Hütte.
»Lydia, bist du es?«
»Ja, ich bin es. Seid ihr gesund?«
»Natürlich. Warte eine Sekunde, ich mache auf.«
Ich stand neben Lydia Kovar und hob die schwarze Tasche auf, die die Frau hatte fallen lassen. Die Tasche war leicht.
Hinter der Tür ertönte ein Rumoren. Klirrend wurden zwei Riegel zurückgeschoben. Die Tür öffnete sich.
Helen Filmark stand auf der Schwelle. Das Haar war zausig, und die schlanke Gestalt steckte in einem weinroten, gesteppten Schlafanzug. Als Helen mich sah, machte sie große Augen, schien die Luft anzuhalten und machte dann einen Sprung in das Dunkel der Hütte zurück.
»Herrenbesuch — hätte ich das geahnt! Augenblick!«
Ich wandte mich um und drehte dem Eingang den Rücken. Aber ich bekam noch mit, daß Lydia Kovar sich in die Hütte stürzte.
Nach ein paar Sekunden ertönte Helens Stimme hinter mir: »Jetzt können Sie sich umdrehen, Jerry. Ich bin fast salonfähig.«
Sie hatte einen blauen Bademantel übergezogen und mit einem bunten Band die Haare hochgebunden. Sie kam auf mich zu und lächelte.
»Es ist reizend von Ihnen, Jerry, daß Sie Ihr Versprechen wahrmachen und mich in dieser Einöde aufsuchen.«
»Ich habe doch gesagt, daß ich notfalls zu Fuß gekommen wäre.«
»Kommen Sie ’rein, Jerry. Es ist zwar nicht sehr komfortabel. Aber ein Stuhl ist für Sie noch da. Ich werde uns allen ein Frühstück bereiten.«
Die Hütte bestand aus zwei kleinen Räumen. Jeder Raum hatte zwei Fenster. Im hinteren standen vier Feldbetten, je zwei übereinander. Die Wände waren aus rohem Holz.
Caroline und Gaby waren noch im Bett. Lydia Kovar war mit den beiden beschäftigt, drückte sie abwechselnd an sich und zeigte eine rührende Wiedersehensfreude.
Ich legte Hut und Mantel ab und . setzte mich an den Tisch im ersten Raum. Es gab hier einen Geschirrschrank, der alles Notwendige zu enthalten schien.
Helen nahm eine Flasche Bourbon-Whisky und ein Glas aus dem Schrank und stellte beides vor mich auf den Tisch.
»Erst nach dem Frühstück«, sagte ich. Leise fügte ich hinzu: »Ich weiß nicht, was mit Ihrer Schwester los ist'. Sie hat sich sehr sonderbar benommen. Als ich sie vorhin abholen wollte, war sie schon per Wagen unterwegs, fuhr in den Kissena Park und lief dort im Regen herum — mit der Tasche unterm Arm.« Ich deutete neben meinen Stuhl, wo ich die Aktentasche abgestellt hatte. »Ich hatte den Eindruck, daß sie mit jemandem verabredet war. Aber sie leugnet es. Und als wir vorhin aus dem Wagen stiegen, um den letzten Rest des Weges zu laufen, da hatte sie es so eilig, daß sie am liebsten geflogen wäre. Offenbar hat sie Angst.«
Helens Gesicht war ernst geworden. Sie bückte sich zur Aktentasche, ließ das Schloß aufschnappen und zog die Laschen auseinander. Ich beugte mich vor, um in die Tasche blicken zu können. Was ich sah, verschlug mir die Sprache.
Bis zum Rand war die Tasche mit Dollarbündeln gefüllt. Es waren fast nur Hundert-Dollar-Noten.
»Das sind mindestens hunderttausend Bucks«, sagte Helen heiser.
Plötzlich ging mir ein Licht auf.
»Das ist die Versicherungssumme, die Ihre Schwester nach dem Tode von Jack Kovar erhalten hat.«
»Was macht ihr…«, ertönte eine schrille Stimme.
Ich blickte auf. Lydia Kovar stand auf der Schwelle zum Nebenraum und sah uns entsetzt an. Dann war sie mit zwei Schritten bei uns und riß Helen die Tasche aus der Hand.
Mitten in der Bewegung hielt die Frau plötzlich inne, ließ die Tasche fallen, sank auf einen Stuhl und stützte den Kopf in die Hände.
»Ich kann nicht mehr«, sagte sie leise, aber völlig ruhig. »Ich halte es nicht mehr aus.
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