0375 - Bluthand aus dem Jenseits
gedankenschnellen Bewegung. Mehr einem Reflex, aber der reichte, um der Kugelgarbe zu entgehen.
Sie hackte in die äußere Holzwand, durchschlug sie, hinterließ ein Muster an Löchern, doch das nahm ich später wahr, denn ich durfte den verblendeten jungen Mann nicht zu einer zweiten Garbe kommen lassen.
Als er herumfahren wollte, traf ihn mein Tritt. Ich hörte ihn schreien, er kippte zurück, fiel auf den Rücken, der MPi-Lauf war gegen den Himmel gerichtet, und in ihn jagte die zweite Garbe wirkungslos.
Niemand wurde getroffen, nicht mal ein paar weiße Wolkenfetzen.
Er kam nicht mehr dazu, die Waffe zu senken. Mit zwei Sätzen hatte ich ihn erreicht, und mein dritter Sprung nagelte seine beiden Hände auf dem Boden fest.
Ich hatte die Gelenke erwischt. Er konnte die Waffe nicht mehr herumdrehen, weil der Druck einfach zu stark war.
»Lass ihn los! Lass ihn los!« Ich vernahm eine kreischende Stimme, drehte den Kopf und schaute auf den zweiten Kerl. Bisher hatte er Suko unter Kontrolle, nun wollte er seinem Kumpan zu Hilfe eilen und auch schießen. Dies erkannte ich an seinem Gesichtsausdruck. Dieser »Soldat« stand genau auf der Kippe. Sein ihm eingeimpfter Hass schäumte über, er konnte einfach nicht anders und reagierte in solchen Situationen automatisch.
Welch eine widerliche Welt…
Diese Schlussfolgerungen schossen mir in Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf.
Ich selbst brauchte nicht einzugreifen, dafür Suko.
Ansatzlos kam sein Schlag.
Und der Treffer fegte den jungen Mann von den Beinen. Er kippte weg wie ein Brett, fiel auf den leicht angestaubten Boden und blieb regungslos liegen.
Mein Freund nickte.
Ich stieß erleichtert die Luft aus und wusste gleichzeitig, dass Suko nicht so fest zugeschlagen hatte, dass der andere tot war. Es gibt gewisse Schläge, die töten, andere legen den Gegner für einige Zeit schlafen.
Und einen solchen Hieb hatte mein Partner angewendet.
Ich kam endlich dazu, mich zu bücken und dem zweiten die Maschinenpistole zu entreißen.
Sie unter den Arm geklemmt, ging ich zwei kleine Schritte zurück und bedeutete dem anderen, sich zu erheben. »Nur vorsichtig, mein Freund. Solltest du noch andere Waffen bei dir tragen, wirf sie lieber jetzt weg, sonst werde ich ärgerlich.«
Ein Messer und eine Armee-Pistole folgten noch. Beides war unter der Kampfkleidung verborgen gewesen.
Der Inspektor kümmerte sich mittlerweile um den zweiten. Er durchsuchte ihn und förderte die gleichen Waffen zutage.
Das ganze Zeug nahm er mit und warf es in eine Holztonne. Anschließend legte er einen Deckel darüber.
Ob wir beobachtet worden waren, wussten wir nicht. Jedenfalls konnten wir nicht mehr länger wie auf dem Präsentierteller draußen stehen. Ich nickte in Richtung Scheuneneingang.
Suko verstand.
Er warf sich den Bewusstlosen über die Schulter und verschwand als Erster in dem Gebäude.
Mein Gefangener konnte allein laufen. Allerdings hatte ich meine Hand in seinen Nacken gedrückt und ließ ihn erst aus dem Griff, nachdem ich ihn ins Stroh geschleudert hatte, das einen Teil der Scheune ausfüllte. Suko war damit beschäftigt, mit gefundenen Stricken den Bewusstlosen zu fesseln. Ich kümmerte mich um den Zweiten.
Er lag auf dem Rücken, hatte die Arme dabei ein wenig angewinkelt und stützte sich auf beide Ellenbogen. Mich bedachte er mit wütenden Blicken, in denen allerdings auch die Angst leuchtete, denn er wusste wohl nicht, wo er uns hinstecken sollte.
»Wer bist du?«, fragte ich ihn.
Er spie aus.
»Willst du nicht reden?«
»Nein! Nein!«, brüllte er mich an. »Ich will nicht reden. Ich will es nicht. Und wenn ihr mich foltert, killt oder vierteilt, aus mir bekommt ihr kein Wort heraus, ihr verfluchten Königstreuen, ihr Engländer, ihr Bastarde…«
»Es reicht«, erklärte ich trocken, und er verstummte auch sofort.
Tief atmete er aus. Dabei schüttelte er den Kopf. Davon ließ ich mich nicht beeindrucken und fragte trotzdem weiter.
»Allein seid ihr nicht hier. Wo befinden sich die anderen? Mach den Mund auf, Freund!«
»Sie sind…« Er fing an zu lachen. »Nein, ich sage nichts.«
»Sie halten sich versteckt.«
»Ja.«
»Warten Sie auf die Hand?«
Es war wie der berühmte Schlag des Boxers vor dem großen Knockout. Die Augen des jungen Mannes wurden starr. Scharf holte er Luft, schluckte und presste die Lippen zusammen.
»Es hat keinen Sinn, mein Lieber«, sagte ich zu ihm. »Wir wissen Bescheid. Deshalb sind wir hier.«
Er lachte leise.
Weitere Kostenlose Bücher