0375 - Bluthand aus dem Jenseits
aber kümmerten sich nicht darum. Sie gingen ihren Beschäftigungen nach, putzten Fenster oder kehrten mit großen Reisigbesen vor den Häusern den Schmutz zusammen.
Zwei Kinder hockten auf einem Gehsteig und malten mit bunter Kreide Figuren.
Normalerweise hätten wir eine gute Sicht gehabt, aber das Ende der Straße verschwamm in der Dämmerung. Obwohl ich einige Laternen sah, blieben sie dunkel.
Das ließ Misstrauen in mir aufkeimen.
»Ob die hier den Strom abgestellt haben?«, murmelte Suko.
»Kann schon sein. Wir werden es erfahren.«
»Dein Durst, wie?«
»Genau.«
Im Laufe der Jahre hatte ich die Erfahrungen gemacht, dass es in den Dorfgasthöfen immer etwas Interessantes zu hören gab. Dort versammelten sich die einflussreichen Einheimischen und redeten über den Klatsch, den sie selbst produzierten. Ich hatte in Gasthöfen schon manch gute Information bekommen und suchte auch hier eine Wirtschaft.
Es gab einige. Kleine Pinten gewissermaßen, doch alle waren verschlossen. Das Schild »closed« sah ich an jeder Tür.
»Es wirkt tatsächlich wie ausgestorben.« Suko schüttelte den Kopf. »Haben die Menschen hier Angst?«
»Klar.«
»Und wovor?« Suko gab sich selbst die Antwort. »Wahrscheinlich vor den Terroristen und auch vor den Männern in Grau. Wir müssen mit zwei Arten von Feinden rechnen.«
»Das tue ich schon lange.«
Die Ruhe wurde plötzlich unterbrochen, weil wir einen Wagen sahen, der anfuhr. Plötzlich standen wir im Licht zweier Scheinwerferlanzen, und so etwas hatten wir nicht gern.
Nach links hin huschten wir zur Seite, gerieten auf einen Gehsteig und blieben stehen.
Der Wagen rollte näher. Noch war es dämmrig, so konnten wir ihn erkennen, als er uns noch nicht erreicht hatte. Es war zwar ein normales Fahrzeug, jedoch für einen besonderen Verwendungszweck konstruiert worden.
Ein Leichenwagen rollte auf uns zu!
Pechschwarz lackiert und mit einer offenen Ladefläche versehen, auf der zwei Särge standen.
Der Fahrer war nur schemenhaft zu erkennen. Ich wollte mehr wissen, löste mich und sprang dem fahrenden Wagen in den Weg, wobei ich mit beiden Armen winkte.
Das Fahrzeug wurde gestoppt. Schnell verließ ich den Lichtteppich der Scheinwerfer, trat an die Tür und öffnete sie.
Der Fahrer trug einen schwarzen Zylinder. Er hatte ein trauriges Gesicht. Die Haut sah aus wie gelbes Fett, und die Mundwinkel waren nach unten gezogen.
Er sprach nicht, deshalb übernahm ich das Reden. »Was haben die beiden Särge zu bedeuten?«
»Sie sind leer.«
»Gut. Und weiter…«
»Ich fahre sie nur weg.«
»Wohin?«
»Man hat sie für zwei Fremde gedacht, wissen Sie?« Er begann zu grinsen, und bevor ich noch eine weitere Frage stellen konnte, hatte er die Tür schon wieder zugeknallt.
Dann fuhr er so rasch ab, dass ich hastig zur Seite springen musste.
Ich ging zu Suko zurück.
»Der war nicht gerade dein Freund – oder?«
»Das kannst du wohl sagen.« Ich schaute den Heckleuchten des Fahrzeugs nach. »Er hatte Särge geladen, und sie waren für zwei Fremde bestimmt.«
»Ach.«
»Ja, man sorgt sich bereits um unser Ableben. Scheint sich herumgesprochen zu haben. Es wird Zeit, dass wir einiges unternehmen. Allmählich wird mir unwohl.«
Suko ging weiter, und wir blieben auf dieser Straßenseite. Die Häuser rückten jetzt enger zusammen. Es waren alte Bauten, aus wetterfesten Steinen errichtet, und wir gelangten tatsächlich wieder an einen Pub. Der hatte nicht geschlossen.
»Nichts wie rein«, sagte Suko und drückte die rechte Hälfte der scheunenartigen Tür auf.
Fast wie eine Scheune kam mir auch der Innenraum vor. Fliesen auf dem Boden, Gebälk, rauchgeschwärzt und entsprechend riechend unter der Decke, Stehtische, einige Sitzbänke und ein kompakt wirkender Verkaufstresen, der im Lichtschein von der Decke hängender, schwankender Öllampen lag, die Licht und Schatten produzierten.
Wir waren die einzigen Gäste, wie ich mit einem ersten Blick hatte feststellen können.
Langsam gingen wir bis zur Theke vor. Unsere Schritte klangen laut auf dem Fliesenboden.
»Keiner da«, flüsterte Suko.
»Dann nehme ich mir ein Bier und lege das Geld dafür hin. Ich kann kaum sprechen.«
»Wie kühlen die denn hier das Zeug?«, fragte Suko.
Ich deutete auf das Fass und das zerhackte Eis. Fass und Eis befanden sich in einem großen Trog, der seinen Platz auf dem Tresen gefunden hatte. Der Zapfhahn war angeschlossen. Gläser fand ich auch, ich brauchte nur mehr das Bier
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