0375 - Bluthand aus dem Jenseits
»Wollt ihr euch zerquetschen lassen?«
»Du gibst also zu, dass du die Hand gesehen hast?«
»Gar nichts gebe ich zu.«
Ich wechselte wieder das Thema, bevor er sich auf irgendetwas einstellen konnte. »Wir suchen Miriam di Carlo.«
»Kenne ich nicht.«
Diese Antwort kam spontan, ohne gelogen zu sein. Das fand ich heraus. Von ihr schien er noch nichts gehört zu haben. Nun ja, er gehörte wohl eher zu den Mitläufern.
»Aber von der Hand weißt du?«
Sein Lächeln wurde breit und lauernd. »Ja, davon weiß ich. Und ich freue mich, wenn sie erscheint, denn sie wird uns helfen.«
»Auch die Männer in Grau?«
»Auch sie.«
Mit dieser Erwiderung hatten weder Suko noch ich gerechnet.
Mein Freund kam plötzlich vor, warf mir einen fragenden und gleichzeitig scharfen Blick zu, ohne allerdings etwas zu sagen.
Ich ahnte, was in ihm vorging. Er sprach den Vorwurf nicht aus, aber er dachte wohl das Gleiche wie ich. Die vier Typen hatten uns beide reingelegt und vor ihren Karren gespannt.
»Du kennst sie?«
Der Soldat nickte.
»Wo halten sie sich auf?«
»Teere und federe mich doch, du Schwein!«, schrie er. »Nichts sage ich. Überhaupt nichts. Hast du verstanden?«
»Wer so laut redet, hat zumeist Unrecht«, erklärte ich und nickte Suko zu.
Der Inspektor holte neue Stricke. Die Blicke des jungen Soldaten verfolgten ihn, und ich versuchte inzwischen noch einmal, ihn zu »bekehren«.
»Siehst du eigentlich die Sinnlosigkeit des Kampfes, den du und deine Freunde führen, nicht ein? Zuerst war es ein reiner Glaubenskrieg, auch schon ein Irrsinn, jetzt wehrt ihr euch gegen England…«
»Halt dein Maul, du verfluchter Spion!«
Es hatte keinen Sinn, mit ihm diskutieren zu wollen. Er war eben zu verblendet. Und so wie ihm erging es auch zahlreichen anderen jungen Leuten. Das empfand ich eben als so furchtbar tragisch. Das Verstehen der Menschen untereinander blieb auf der Strecke.
Wo der Hass regiert, hat der Teufel letztendlich freie Bahn! Lebten die Menschen in Frieden zusammen, würde es die Kraft des Bösen wohl nicht schaffen, die Saat des Krieges auszusäen.
»Leg dich auf den Rücken!« Suko hatte den Befehl gegeben.
Der andere wollte nicht, schaute in Sukos Augen und erkannte dort etwas, das ihn weich machte. Er kam der Aufforderung nach.
Sein Gesicht lag im Stroh, während ihn der Chinese fesselte.
»Es ist traurig«, murmelte er, »dass ich mich mit so etwas wie dir herumschlagen muss.«
Die Antwort konnten wir nicht verstehen. Das getrocknete Heu verschluckte sie.
Suko ließ zu, dass sich der Gefesselte wieder auf den Rücken drehte. Dann nieste der junge Mann, und wir überlegten, ob wir die beiden noch knebeln sollten.
Davon nahmen wir Abstand. Es war schon vorgekommen, dass ein Knebel einen Menschen erstickte. Sie würden sowieso bald gefunden werden.
Außer Hörweite der beiden und dicht an der Tür bauten wir uns auf. »Zählen wir zusammen«, meinte Suko. »Es hat sich herausgestellt, dass deine Freunde nicht gelogen hatten. Es gibt die Hand, und es gibt die Männer in Grau. Die Helfer also. Wenn sie auf der Seite der anderen stehen, weshalb haben sie dich um Hilfe gebeten?«
»Keine Ahnung. Außerdem ist nicht klar, dass sie auf der anderen Seite stehen.«
»Für mich schon.«
»Dann müssen wir die Beweise heranschaffen.«
»Und wo?«
»Ich würde sagen, wir gehen in den Ort. Vielleicht finden wir jemand, der uns weiterhilft. Ich habe das Gefühl, dass wir genau richtig gekommen sind. Mag die Hand da sein oder nicht…«
Suko unterbrach mich. »Hör auf zu philosophieren, John! Ich habe einen anderen Vorschlag.«
»Und welchen?«
»Wir gehen noch nicht sofort und warten ab, bis die Dämmerung oder Dunkelheit hereinbricht. Meines Erachtens geht es erst dann zur Sache. Wie stehst du dazu?«
Ich ließ mir seinen Vorschlag durch den Kopf gehen. »Einverstanden«, sagte ich nach einer Weile…
***
Es ist normalerweise nicht unsere Art, uns zurückzuziehen, in diesem Fall blieb uns nichts anderes übrig. Wir hatten einen Platz nicht weit von der Scheune entfernt gefunden, gedeckt durch die Reste eines Steinwalls, der aus irgendwelchen Gründen zerstört worden war und nicht mehr so stand wie die anderen. Der Ort war günstig gewählt worden, denn von dieser Stelle aus hatten wir einen guten Überblick in alle vier Richtungen.
Keiner unserer Feinde hatte sich blicken lassen. Hin und wieder hatten wir ein Blinksignal wahrgenommen, das war auch das höchste der Gefühle
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