0375 - Bluthand aus dem Jenseits
gewesen.
Weshalb trauten sie sich nicht aus ihren Deckungen hervor?
Hatten sie vielleicht nicht bemerkt, dass ihre beiden Komplizen von uns überwältigt worden waren?
Das wollte ich einfach nicht glauben, und Suko erging es ebenso, wobei sich die Gefesselten ruhig verhielten und noch immer in der Scheune steckten.
»Gefällt mir überhaupt nicht«, murmelte Suko. »Das ist alles viel zu ruhig, beinahe artig.«
»Denkst du mir?« Die drei Worte bekam ich hervor, so kratzig klang meine Stimme. Ich hatte zu viel Staub geschluckt, sehr geschwitzt, und mein Durst war dementsprechend.
Leider befand sich auch kein Bach in der Nähe, an dessen Wasser ich mich hätte laben können.
Die Sonne wanderte weiter, verlor ihre für diese Jahreszeit ungewöhnliche Kraft, und auch der Wind schlief allmählich ein. Erste Wolkenfelder zogen über den Himmel. Die Luft wurde eine andere.
Man glaubte sie zu schmecken.
»Das sieht mir nach einem Gewitter aus«, murmelte Suko.
Ich gab ihm Recht. »Kein Wunder nach dieser Hitze.«
»Und wann willst du nach Cockway?«
Das war die Frage. Zumindest wollte ich nicht sofort erkannt werden und abwarten, bis die Dämmerung zugenommen hatte.
Dann konnten wir noch immer weitersehen.
Vom Ort her näherte sich ein Wagen. Wir sahen ihn noch nicht, vernahmen nur das Donnern des Motors. Es war mehr ein Tuckern.
Wahrscheinlich ein Traktor.
Er tauchte auf. Aus dem in die Luft ragenden Auspuffrohr drangen dunkelgraue Abgaswolken. Sie passten einfach nicht in diese herrliche Landschaft, wo alles so frisch roch.
Da kaum Wind herrschte, blieb die Wolke für eine Weile stehen.
Der Traktor rollte vorbei. Ein junger Mann saß geduckt auf dem harten Federsitz. Er sah uns nicht und fuhr auch an der Scheune vorbei. Allmählich verwehte das Knattern der Maschine.
Ich schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
»Was hast du?«, fragte Suko.
»Im Prinzip gar nichts, und das ist das Schlimme daran. Ich habe nichts, ich sehe nichts, ich weiß nichts…«
»Aha.«
»Unterbrich mich nicht immer, und trotzdem kommt es mir vor, als würden wir in einer gewaltigen Falle hocken, in der alles viel langsamer abläuft als normal.«
»Wie meinst du das denn?«, fragte Suko.
Ich hob die Schultern. »Eine Zeitlupengegend. Ich erinnere mich irgendwie an Brigadoon und den Friedhof der Verfluchten. Da war auch alles normal und trotzdem nicht.«
»Moment, das war etwas anderes«, widersprach Suko. »Cockway existiert, Brigadoon nicht.«
»War nur eine Vermutung.«
»Und das Resultat?«
»Werden wir später erleben.«
Wieder warteten wir. Suko und ich saßen gewissermaßen Rücken an Rücken, um die verschiedenen Richtungen im Auge behalten zu können. Niemand zeigte sich, auch nicht der seltsame Flötenspieler, der uns auf lebensgefährliche Art und Weise genarrt hatte.
Auch die Sonne verschwand. Sie tauchte hinter die langen Schatten einer allmählich herankriechenden Wand. Ein paar letzte Strahlen lugten noch hervor und warfen lange Bahnen über das grüne Land. Dazwischen sahen wir die breiten Schatten über den Boden fließen und für natürliche Deckungen sorgen.
Die Stunde zwischen Tag und Traum begann. Es wurde noch ruhiger. Jetzt verschmolzen sämtliche Konturen miteinander und gaben dem Menschen gute Deckungen.
Für uns die ideale Zeit.
Fast gleichzeitig standen Suko und ich auf. Auch jetzt ließ sich niemand blicken. Wir kamen uns vor, als stünden wir in einer verwunschenen Umgebung.
Den Weg wollten wir nicht nehmen. Auch während der Dämmerung hätten wir uns zu scharf konturiert abgehoben. Deshalb liefen wir an seinem Rand entlang und versuchten dabei, uns in Deckung der flachen, hügelartigen Erhebungen zu halten.
Unsere Füße schleiften durch das noch frisch riechende Gras. Vögel segelten lautlos und in großer Höhe über unseren Köpfen und zogen dort ihre Kreise.
Der Tag ging, und diesmal kam nicht Johnny Walker, sondern ein ruhiger Abend, dem eine Nacht folgen würde. Ob sie ebenso ruhig blieb, das war die Frage, ich glaubte eher daran, dass sie uns das Grauen bringen würde.
Die Häuser des Ortes standen zwar nicht dicht beisammen, dennoch wirkten sie auf uns wie eine kompakte Masse, da in den Zwischenräumen schon die grauen Schatten lagen.
Wir hatten das Dorf ja von der Höhe aus gesehen und mussten uns auf der Hauptstraße befinden, die das Zentrum durchlief und von der auch einige Gassen abzweigten.
Auch entdeckten wir die ersten Bewohner.
Sie nahmen uns ebenfalls wahr,
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