0375 - Bluthand aus dem Jenseits
ihrer Ruhe.
Verwirrt richtete sie sich auf.
Sie war eine schöne Frau. Lange, rote Haare, grüne Augen.
Miriam trug ein grünes Kleid, das schon gewandähnliche Formen hatte, und sie befand sich in einem Teil dieser gewaltigen Welt, wo Frieden herrschen sollte und düstere Druidenmagie keinen Platz fand.
Selbst der dünne Himmel über ihr schimmerte grünlich, und im Unterholz raschelte es geheimnisvoll. Die dort lebenden Wesen gab es auch nur in Aibon.
Es waren die, die von den Menschen als Elfen bezeichnet wurden und auf wundersam legendenhafte Weise zu Beginn der Zeiten schon entstanden waren.
Diese Wesen verhielten sich neutral. Sie waren dem Guten ebenso wenig zugetan wie dem Bösen, deshalb brauchte Miriam vor ihnen keine Furcht zu haben.
Sehr oft hatte sie an ihr Leben als Mensch zurückgedacht, als sie noch in London lebte und eigentlich völlig normal war, bis auf eine bestimmte Kleinigkeit.
Miriam di Carlo war sensitiv veranlagt. Sie konnte Dinge erkennen, die in der Zukunft lagen und erst noch geschehen würden.
Dafür hatte ihre Abstammung gesorgt, denn in den Adern der Frau floss nicht das Blut der Menschen, sondern das der Druiden.
Obwohl Aibon als das Paradies bezeichnet wurde und Miriam sich auch hier wohl fühlte, dachte sie sehr oft an die Zeit auf der normalen Welt zurück. Sie hatte gut gelebt, bis Aibon sie rief und ihr Blut damit erweckte.
Fast zur gleichen Zeit hatte sie die Bekanntschaft eines außergewöhnlichen Mannes gemacht.
Er hieß John Sinclair, war von Beruf Polizeibeamter und wurde Geisterjäger genannt.
Dieser Mensch hatte sie beeindruckt und auch geprägt. Miriam di Carlo war mit John Sinclair in ein furchtbares Abenteuer verstrickt gewesen. Zusammen waren sie durch ein zerstörtes London gegangen, doch es war glücklicherweise eine Vision gewesen.
Bei einem weiteren Fall war es dann geschehen. Miriam di Carlo hatte sich von John Sinclair verabschieden und dem Ruf ihres Blutes nach Aibon folgen müssen.
Nun lebte sie in dieser Welt, in der sie eigentlich hätte glücklich sein müssen.
Sie war es aber nicht so sehr. Zu stark waren noch die Erinnerungen an ihr Erdenleben, zu sehr war sie Mensch gewesen und hatte alle Leiden und Freuden dieses Daseins ausgekostet.
Aber es gab für sie eine Hoffnung. Hin und wieder bekam sie Kontakt zu dieser anderen Welt. Aibon, das geheimnisvolle Land, war nicht allein das Paradies, auch hier gab es zweierlei Kräfte. Gut und Böse. So kam es vor, dass der Geisterjäger John Sinclair manches Mal in einen Fall mit hineingerissen wurde, dessen Spuren nach Aibon führten.
Daran klammerte sich Miriam di Carlo.
Sie wusste ferner, dass John Sinclair irgendwann einmal kommen musste, denn es gab für ihn ein großes Problem, das er einfach lösen musste.
Zwei Dolche waren verschwunden!
Sie gehörten Sinclairs indischem Freund Mandra Korab, der insgesamt sieben davon besaß. Fünf hatte er zurückbekommen, über die letzten beiden wusste er nicht genau Bescheid. Ihm und dem Geisterjäger war nur bekannt, dass sie sich in Aibon befanden.
Wo genau sich die Dolche befanden, das wussten nur wenige. Miriam di Carlo gehörte nicht zu ihnen. Sie hätte es gern gewusst und ihrem Freund die Waffen zurückgegeben.
Und wieder lauschte sie den Klängen.
Ein geheimnisvolles Spiel und gleichzeitig so lockend, dass sie den Tönen einfach nicht widerstehen konnte. Sie musste ihnen folgen und schritt in diese entsprechende Richtung.
Aibon war weit, war leer, so kam sich Miriam vor wie eine Verlorene ohne Angst innerhalb des Landes. Ihre Füße schleiften durch das dunkelgrüne Gras. Sie sah die hohen Bäume, die prächtigen Kronen, entdeckte seltsame Vögel, die manchmal bunt schimmerten und auch eine grüne Tarnfarbe über ihr Federkleid ziehen konnten.
Aibon war anders. Hier wurden die Märchen und Legenden der Menschen wahr. Vielleicht waren die Geschichten über Elfen, Trolle und Erdmännchen in Aibon entstanden, denn so etwas existierte.
Die Melodie lockte. Nie blieb sie gleich. Mal wehten Miriam di Carlo hohe Töne entgegen, dann wieder dunklere und wie von einer nicht erfüllten Sehnsucht durchweht.
Hatte der für Miriam di Carlo nicht sichtbare Spieler vielleicht Heimweh?
Als sie daran dachte, zuckte ein verlorenes Lächeln um ihre Lippen. Für einen Menschen, den das Heimweh plagte, hatte sie vollstes Verständnis. Auch ihr war es so ergangen. Zwar hatte sie anderen stets von ihrer vollen Zufriedenheit berichtet, die sie hier in Aibon
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