0375 - Bluthand aus dem Jenseits
hineinlaufen zu lassen.
Für Suko goss ich auch ein Glas mit ein. Wir grinsten uns an und prosteten einander zu. Es war ein Genuss, eine Freude, als hätte mir ein Engelchen – pardon – aufs Herz gepinkelt. Mein Krug wurde in einem Zug geleert, und als ich ihn wegstellte, musste ich zunächst einmal Luft holen.
Suko wischte über seine Lippen. Auch er hatte viel getrunken.
»Das hat gemundet«, sagte er.
»Und wie.« Ich hatte meinen Krug weggestellt und griff in die hintere Hosentasche, um meine Geldbörse hervorzuholen. Meine Finger hatten sie kaum ertastet, als wir beide die Frauenstimme vernahmen.
»Lassen Sie das, Mister! Todeskandidaten bekommen ihren letzten Schluck bei mir umsonst…«
***
Sie wussten, dass es Zeit war, und sie wussten ferner, dass sie zu den Ausgestoßenen zählten. Die Ausgestoßenen aus dem Paradies, denn so nannten sie das Land Aibon.
Man hatte sie nicht mehr haben wollen, denn durch ihr verräterisches Tun hatten sie die Magie der Druiden entweiht. Sie waren Entrechtete, man wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben, denn das Blut Unschuldiger klebte an ihren Händen.
Und nicht allein an ihren Händen. Auch das Mordinstrument, das sie begleiteten, war mit dem Blut Unschuldiger gefüllt.
Es war die Bluthand aus dem Jenseits.
Geschnitzt aus einer mächtigen Eiche, die von geheimnisvollen Erdkräften beschworen worden war, zählte diese gefährliche Hand zu einem besonderen Stück dunkler, unheimlicher Magie.
Sie war ein wahres Meisterwerk. Der Künstler hatte es geschafft, sie natürlich aussehen zu lassen, und wer nicht nahe an sie herangetreten war, konnte den Unterschied zu einer normalen Hand nicht erkennen.
Man wollte die vier nicht mehr haben, hatte sie nicht getötet, aber man wies sie aus.
Und so gingen sie. Aber die Hand ließen sie nicht zurück. Sie war für die vier das Wichtigste. In Aibon hatte sie grausam gewütet, und das sollte sie fortsetzen.
Zudem hatten sie einen gewissen Ruf aus der normalen Welt vernommen. Eine Gruppe von Männern und Frauen hatte erfahren, dass es eine Stelle gab, wo vor langer Zeit das Böse gelauert hatte.
Einen Tanzplatz gefährlicher Druidenmagie. Einen geheimnisvollen Zauberort, wo Menschen, die sich den Druiden verbunden fühlten, alte Beschwörungen durchführten, und wo man auch etwas über die geheimnisvolle Bluthand aus dem Jenseits erfahren hatte, die als Richter erschaffen worden war, um abtrünnige Druiden zu töten.
So paradiesisch manchmal das Land auch war, es gab ebenso harte Gesetze, die befolgt werden mussten.
Und die Hand wurde zum Henker und zum Richter. Sie durfte nicht zerstört werden, sie musste überleben, und die vier abtrünnigen Druiden, die ausgewiesen worden waren, hatten sie, als die Beschwörung durchgeführt wurde, mitgenommen.
Sie wussten genau, dass es in der normalen Welt eine Gruppe von Menschen gab, die auf sie warteten, und die wollten sie nicht enttäuschen.
Aber noch befanden sie sich in einem anderen Reich. Es hatte hin und wieder Übergriffe gegeben. Ein Vorfühlen der vier Begleiter, Kontaktaufnahmen, und es war ihnen gelungen, die Menschen zu beeinflussen. Sie standen voll auf ihrer Seite.
Auch in Aibon dämmerte es. Lange Schatten fielen über das saftige, dunkle Grün des Landes hinweg und berührten auch die aufrecht stehende Bluthand, sodass diese innerhalb der Schatten allmählich verschmolz.
Sie stand auf einem Wagen. Er war aus Holz gebaut, breit wie ein Floß, und er besaß vier Räder. Der Wagen, auf dem die Hand ihren Platz gefunden hatte, konnte überallhin gezogen werden. Dafür sorgte ein pechschwarzes Pferd, das vor den Wagen gespannt worden war.
Alles war für eine Flucht in die normale Welt bereit. Die Beschwörungen hatten gefruchtet, der Tunnel für die Zeitreise bestand noch, sie brauchten ihm nur mehr zu folgen.
Aber sie wollten noch jemand mit auf die Reise nehmen. Es sollte das erste Opfer in der normalen Welt werden, und es musste eine Person sein, die aus dieser Welt stammte.
Da gab es jemand.
Eine Frau.
Miriam di Carlo!
Eine Person, in deren Adern Druidenblut floss, die auf der normalen Welt nicht mehr sein sollte und heim nach Aibon geholt worden war, wo sich auch für sie das Paradies öffnen sollte.
Die vier Gestalten hatten lange an ihrem Plan gebastelt und waren endlich zu einer Lösung gekommen.
Sie stellten ihr eine Falle.
Es war der Abend, als Miriam di Carlo den geheimnisvollen Lockruf vernahm. Ein wundersames Flötenspiel riss sie aus
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