0375 - Die Gangsterhochzeit von Chicago
einen Bogen um einen G-man machen, der mit unbeteiligtem Gesicht, wie ein Feuerwehrmann in einem Kino, in die Gegend starrte.
Jeff Chandler beugte sich nach hinten, flüsterte einem Gorilla etwas ins Ohr und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
Ich presste mich in eine Nische und warf einen Blick zu den Gangstern hinüber. Die vier Burschen standen wie aus Erz gegossen.
Mit einem Griff zurrte ich meine Filmkamera aus der Jackentasche und hielt sie in halbgeschlossener Hand in die Höhe.
Nachdem ich den ganzen Saal im Zeitlupentempo abgeschwenkt hatte, verzog ich mich ans Ende der Tafel.
Auf Speisewagen von der Größe eines Kleinautos rollte das Festmahl heran. Ich ließ mich auf einem Stuhl nieder und sah mir meine Tischgenossen an. Rechts von mir saß eine Lady in den Fünfzigern. Wenn ich zwanzig Jahre älter wäre, hätte ich ihre Blütezeit wahrscheinlich in einem Kabarett 44 oder Nachtlokal miterlebt. Sie unterhielt sich mit einem Burschen, der wie ein Gangster aussah. Links hockte ein pensionierter Seeräuber auf seinem Stuhl. Er trug eine verwaschene Marineuniform. Ich konnte mich nicht erinnern, den Burschen gestern im High Lion Club gesehen zu haben.
Die Kellner verteilten Speisekarten in Golddruck. Ich angelte mir ein Exemplar, um den Gaumengenuss innerlich vorzubereiten. Wir speisten à la New England.
Als Vorspeise wurde Lobster serviert, Hummer mit Zitronenbutter oder Clam Chowder zur Auswahl angeboten, eine Muschelsuppe aus Milch und Rahm, in der Kartoffelstückchen und Zwiebelwürfel schwammen. Danach wurde Boston Brown Bread gereicht, ein süßes Sirupbrot. Der dritte Gang bestand aus Pumkin Pie, eine Pastete mit gewürzten Kürbisstücken. Fish Cakes, Klößchen aus Fisch, Kartoffeln und Eiern, schlossen sich an. Schließlich verspeiste ich noch einen zarten Flussfisch mit Petersilienbutter, Indian-Pudding und Eiscreme bildeten den Abschluss. Kellner fuhren in schwarzen Fracks eine Batterie der erlesensten Getränke heran. Einige der Flaschen kosteten den halben Monatslohn eines G-man.
***
Das Dinner der Gangsterhochzeit dauerte bei Kerzenlicht bis abends gegen neun.
Ich verschaffte mir in der Zwischenzeit Bewegung, ließ meine Kamera surren, erfrischte mich an der Sektbar.
In diesem Saal, wo über fünfzig Polizistenaugen wachten, fühlte ich mich verhältnismäßig sicher.
Als ich mich wieder auf meinen Platz fallen ließ, um Eiscreme zu essen, warf mir Jeff Chandler einen flüchtigen Blick zu.
Gegen zehn löschten die Kellner die Wachskerzen auf den silbernen Haltern. Die Kristallleüchter unter der Decke verbreiteten jetzt ihr protziges Licht.
Eine elegante Musikkapelle aus internationalen Solisten wechselte von der Tisch- zur Tanzmusik. Jeff Chandler erhob sich in seiner steifen Art, verbeugte sich vor Miss Texas und hielt ihr den Arm hin.
Terry sprang ebenfalls auf und angelte sich ein strohblondes Girl, das ihm am nächsten stand.
Ich begann nervös an meiner Unterlippe zu kauen. Morgen früh war die Gangsterhochzeit beendet. Und ich reiste mit leeren Händen nach Washington, um Bericht zu erstatten. Denn Mr. Hoover rechnete fest damit, dass die Rauschgiftbande bei dieser einmaligen Gelegenheit ausgehoben würde.
Ärgerlich verkrümelte ich mich gegen halb elf an die Sektbar. Hier traf ich wieder auf Mr. Pone, der in ziemlich ausgelassener Stimmung war. Er unterhielt sich mit dem blonden Girl, der ersten Tanzpartnerin von Terry Chandler.
Ich winkte den beiden kurz zu, schwang mich auf einen Barhocker und bestellte einen doppelstöckigen Scotch.
Der Barkeeper war ein Mann mit einem Pokergesicht, der wortlos wie alle guten Barkeeper arbeitete. Er ließ die Eiswürfel in den Becher klicken, goss Whisky darauf, schwenkte und goss Whisky nach. Er schob mir das Getränk vor die Nase.
Plötzlich brach die Musik im Saal ab. Eine Stimme quoll aus dem Lautsprecher.
»Ladies und Gentlemen. Sie befinden sich auf der Hochzeit des Jahres. Der Gastgeber weiß, was er seinen Gästen schuldig ist. Sie erleben deshalb jetzt eine Vorführung, von der man noch in einigen Jahren sprechen wird. Es ist ein Spiel mit Nervenprickeln. Vorhang auf zum ersten Akt.«
Ein Gong ertönte und hallte in den vielen Räumen nach.
Von diesem neckischen Spiel stand nichts auf den Einladungen. Ich hatte das ungute Gefühl, dass es besonders für mich eine faustdicke Überraschung werden würde.
Nach dem zweiten Gongschlag erloschen mit einem Schlag die Kristallleuchter. Hysterisch kreischten einige Frauen
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