0375 - Die Gangsterhochzeit von Chicago
»Yeah«.
John und Tony verließen die Baracke. Ich blieb mit den beiden anderen Gorillas allein. Sie beachteten mich nicht, zogen die Tür zu und schlossen sie von innen ab.
Im Schatten der Petroleumlampe studierte ich ihre Gesichter. Der Stiernackige konnte der Zwillingsbruder von John sein, der zweite glich einer verhungerten Ratte. Seine kalten Augen glitzerten hinter einer randlosen Brille.
Die Nase lief spitz zu. Dieser Bursche strömte eisige Kälte aus. Seine ruckartigen Bewegungen erinnerten an eine Marionettenpuppe.
»Such den Schlüssel, Bull«, befahl der Rattengesichtige.
»Willst du schon wieder einen kippen, Fred?«
»Quatsch nicht. Viel Zeit bleibt uns sowieso nicht.«
Der Dicke ging in die Knie und steckte seine Hand unter das Kopfkissen. Seine Finger tasteten über das feuchte Leinentuch. Nach wenigen Sekunden zog er den Schlüssel heraus.
Fred riss ihm den Schlüssel aus der Hand und schloss die Schranktür auf.
»Leuchte!«, zischte Fred. Seine knochigen Finger griffen nach den bauchigen Flaschen. Bull hob die Petroleumlampe in Schrankhöhe. Auf einem Zwischenbrett standen fünf Flaschen, zwei davon waren fast voll. In den anderen befanden sich nur noch Reste.
Fred stellte eine Whiskyflasche hastig auf den Tisch, entkorkte sie und streckte ungeduldig seine Hand nach hinten aus.
Bull begriff die Zeichensprache, griff in den Schrank und angelte zwei Gläser heraus. Er stellte die Lampe und die Gläser auf den Tisch.
Fred goss das erste Glas randvoll und kippte den Inhalt durch die Kehle.
Innerhalb von fünf Minuten goss sich Fred sechs Gläser echten Scotch hinter die Binde. Dann stieß er sich vom Tisch ab und stieß stotternd hervor: »He, Bull, an die Arbeit. Tempo! Sonst zieht uns Hurrican auch die letzten Bucks ab. Du weißt genauso gut wie ich, dass dieser Schnüffler aus dem Weg geräumt sein muss, wenn der Boss kommt.«
»Well, schließlich werden wir dafür bezahlt«, murmelte Bill.
Die Fußbodenbretter knarrten, als die Burschen sich auf mich loswälzten.
***
»Dir wird keine andere Wahl bleiben als mitzuspielen!«, zischte Joe und stieß Pone die Pistolenmündung zwischen die Rippen.
»Interessant. Ihr wollt mich zwingen, das halbe Erbe von Francis Roche zu verschenken. Was sage ich - nicht das halbe, sondern das ganze. Sobald ich meine Unterschrift unter den Wisch gesetzt habe, bringt ihr mich um, nicht wahr? Dann habt ihr auf einfache Art die Angelegenheit Roche über die Bühne gebracht. Aber ich werde euch ein Schnippchen schlagen.«
»Nimm Vernunft an, Kerl. Was nützen die Bucks, wenn du mausetot bist«, knurrte Joe.
»Aber ich denke nicht daran, zu sterben«, konterte Pone. »Und jeder von euch hat Angst vor dem elektrischen Stuhl. Übrigens: ich habe das Glas gefunden, mit dem ihr Francis Roche Zyankali eingeflößt habt. Und auf dem Glas befinden sich Fingerabdrücke. Das Glas steht bereits in einem Labor. Wenn ich dieses Labor bis morgen früh nicht angerufen habe, werden die Fingerabdrücke fotografiert und an das Morddezernat geschickt.«
»Du hast ganz ausgezeichnet vorgesorgt, Pone. Mein Kompliment«, krähte Jeff Chandler und beugte sich über den Tisch. »Aber diese Vorsorge wird dir nichts nützen. Ein Rundruf an alle Labors in Chicago reicht aus, um deine Pläne zu vereiteln. Also, wie ist es mit der Unterschrift?«
»No, Chandler, ich denke nicht daran, auch nur einen Federstrich unter dein Papier zu setzen.«
»Well, dann werden wir dich dazu überreden müssen. Reck deine Hände in die Höhe, Pone!«
Der Gangster zückte zwei Schießeisen und richtete die Mündungen genau auf Pones Herzgegend.
»Na? Hast du es dir jetzt anders überlegt?«, fragte Joe und trat einen Schritt zur Seite. Pone reckte seine Arme in die Höhe und rutschte auf die Vorderkante des Stuhls.
»Ich gebe dir genau dreißig Sekunden Bedenkzeit. Wenn du nicht unterschreibst, werden wir dein Erbe auch so kassieren. Darauf kannst du Gift nehmen«, rief der Gangsterboss.
Er starrte auf den Sekundenzeiger seiner Armbanduhr.
»Noch zwanzig Sekunden… noch zehn Sekunden… noch fünf, noch drei… aus.«
Der Gangster legte eine Waffe auf den Tisch, zückte einen vergoldeten Füllfederhalter, schob ihn vor Pone hin und lehnte sich zurück.
»Well, ich werde unterschreiben«, murmelte Pone, ließ beide Hände sinken, griff blitzschnell nach der Pistole und richtete sie auf Jeff Chandler. Joe hatte zwar noch immer seine Waffe in der Hand, aber er drückte nicht ab, sondern
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