0377 - Der letzte Gast kam aus Sing-Sing
Dieser rannte wie ein Wiesel und schlug plötzlich einen Haken nach links. Dann war er wie vom Erdboden verschluckt.
War er total übergeschnappt?
Ich hatte ihm eingeschärft, falls er irgendeine Nachricht vorfinden würde, sie laut zu wiederholen, damit Phil, der ja in der Nähe sein würde, sie hören konnte.
Nach zwei Minuten hatte ich die Stelle erreicht, wo Clymer verschwunden war. Ich stoppte den Wagen und sprang ins Freie.
Der Bahndamm lag etwa drei Meter höher als der Weg. Ein nicht mehr benutzter Fußgängertunnel führte durch den Bahndamm.
Mitten drin stand Sid Clymer, mit stark verzerrtem Gesicht und schwer keuchend wie eine Dampflokomotive. Phil stand neben ihm.
Er sprach eindringlich auf ihn ein. Clymer schien aber so von Sinnen, dass er die Fragen gar nicht verstand.
Ich sah auf einen Gullydeckel, der abgehoben worden war. Der Gully befand sich genau in der Mitte der kleinen Unterführung.
Blitzartig wurde mir klar, auf welche Weise der Gangster zu dem Geld kommen wollte.
Ich ließ mir von Clymer den zerknüllten Zettel geben, den er in der Linken zu einem Ball zusammengedrückt hatte.
Als ich ihn entzifferte, verstand ich Clymers Panik.
»Du stehst auf einer Mine, die in zwei Minuten losgeht. Lauf sofort zu der Unterführung und wirf die Aktentasche in das Loch«, entzifferte ich mühsam.
Aber wo war der Zettel ursprünglich hergekommen?
»Der Kerl war schlauer als wir beide zusammen«, knurrte Phil, der mitgelesen hatte. »Neben dem Häuschen steht ein Signalmast. Als der Zug vorbei war, klappte, der Signalarm wieder auf Halt. Dadurch fiel ein Zettel hinab, der um einen Kieselstein gewickelt war. Ich sah Clymer laufen, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Auf mein Rufen antwortete er nicht.«
Clymer beruhigte sich nur langsam. Die Krawatte war verrutscht, und die Wangen glühten wie ein Sonnenuntergang im Yellowstone Park.
»Wo ist die Tasche?«, fragte ich.
Stumm deutete er auf den Abwasserdeckel.
Ich kniete nieder und lauschte in die Tiefe. Zu sehen war nicht viel, ich hörte unter mir nur Wasser rauschen.
»Ein abseits liegender Abwasserkanal, der zu der Kläranlage dahinten führt«, kommentierte Phil kurz.
»Jetzt braucht Ironface nur an einer passenden Stelle des Kanals eingestiegen zu sein, um die Tasche aufzufischen«, sagte ich grimmig.
»Jetzt bin ich geliefert«, keuchte Clymer. Seine Augen irrten durch die Gegend.
»Wenn er merkt, dass wir ihm bloß Zeitungen eingepackt haben, bringt er mich um.«
»Ich schlage Ihnen vor, Mr. Clymer, dass mein Freund Phil Decker und ich zu Ihrem Schutz in der Nähe bleiben.«
Der Mann nickte.
Ich bat Phil, den Cadillac zu steuern und Clymer zu fahren, da er selbst wohl kaum fähig war, sein Fahrzeug in der Gewalt zu haben.
***
Minuten später fuhren wir zurück. Phil fuhr zu Clymers Haus, während ich beim Polizeirevier stoppte.
Lieutenant Wesley telefonierte. Er gab seiner Vorgesetzten Dienststelle einen Bericht.
»Haben Sie noch etwas entdeckt?«, fragte ich ihn, als er fertig war.
»Wir wissen jetzt, dass der unbekannte Täter nicht verletzt ist«, knurrte er grimmig. »Ich habe den Mann aufgetrieben, der den zweiten Schuss abgab. Es war eine Platzpatrone. Er wollte sich offenbar Mut machen. Hatte dann aber Angst bekommen und gestern Nacht geleugnet, einen Schuss abgegeben zu haben.«
»Dann brauchen wir auch nicht weiter nach einem Verwundeten zu suchen. Das passt auch zu der Theorie, dass Ironface sich heute Morgen am Bahndamm aufhielt.«
Ich erzählte Wesley in wenigen Worten, wie Ironface uns durch die Lappen gegangen war.
»Sein Steckbrief klebt an allen Ecken. Außerdem überwachen wir alle Ausfallstraßen und den Bahnhof. Über kurz oder lang geht er uns ins Netz«, sagte Wesley.
Es war kein Trost.
Ich verabschiedete mich und fuhr zu Clymer. Ironface würde sich noch heute bei ihm melden, davon war ich so fest überzeugt, wie Untersuchungshäftlinge von ihrer Unschuld, Apathisch wie ein orientalischer Steinbuddha hockte Clymer in einer Ecke. Unaufhörlich drehte er einen schweren Brillantring um den Ringfinger.
Phil nickte mir zu und ging hinaus. Ich folgte ihm.
»Er ist völlig mit den Nerven fertig. Am besten lassen wir ihn ganz in Ruhe. Ich habe uns zwei Zimmer ausgesucht, die sich gegenüberliegen, das eine geht zur Straßenseite, das andere zum Hintergarten. So können wir beide Fronten besser abschirmen.«
»Okay. Außerdem legen wir uns eine direkte Leitung zu Wesley.«
Ich ging zum Telefon. Der
Weitere Kostenlose Bücher