038 - Das zweite Leben des Mortimer K.
niemand.
Bannister nahm sich dennoch vor, sehr vorsichtig zu sein. Er betrat das neue Apartmenthaus und freute sich schon auf ein Wiedersehen mit Paul.
Sie hatten schon einige brandheiße Jobs hinter sich. Zum Beispiel in Saudi-Arabien. Dort entführten sie eine Prinzessin, bevor sie dem Henker übergeben werden konnte.
Der gute Mann hätte ihr den Kopf abschlagen sollen, weil sie ein Verhältnis mit einem amerikanischen Industriellen gepflegt hatte.
Heute lebten die beiden glücklich und zufrieden in Florida, und der Henker mußte sich anderweitig nach Beschäftigung umsehen.
Oder der Auftrag in Nowosibirsk. Die Russen versuchten einen amerikanischen Raketenforscher »umzudrehen«. Paul Poone, der ihm ähnlich sah, übernahm nach dessen Befreiung seine Rolle, und mit Bannisters Hilfe sprengten sie schließlich das gesamte Agentennest.
O ja, sie arbeiteten gut zusammen. Es gab nie Probleme zwischen ihnen. Eine langjährige, wetterfeste Freundschaft verband sie. Eine Freundschaft, die schon viele Prüfungen bestanden hatte.
Bannister drückte auf den Rufknopf des Fahrstuhls.
Die Kabine traf im Erdgeschoß ein. Der CIA-Agent öffnete die Tür und trat ein. An der Liftrückwand war ein Spiegel befestigt. Nachdem Noel Bannister auf den Etagenknopf gedrückt hatte und der Aufzug sich in Bewegung setzte, warf er seinem Spiegelbild einen prüfenden Blick zu.
Er kämmte sich das graue Haar mit gespreizten Fingern, zog es seitlich über die Ohren, klopfte sich Staub vom Jackett und fand, daß er danach wieder ganz passabel aussah.
Vierte Etage.
Der Lift blieb stehen.
Bannister drückte die Tür auf und trat in einen langen schmalen Gang. Er orientierte sich kurz, wandte sich dann nach rechts und erreichte wenig später jene Tür, die in Paul Poones Apartment führte.
Bannister drückte auf den Klingelknopf.
Drinnen schlug die Glocke, doch es öffnete niemand. Noel Bannister begrub den Klingelknopf noch einmal unter seinem Daumen.
Wieder nichts.
Paul Poone schien nicht zu Hause zu sein. Klar, sie hatten keine genaue Zeit vereinbart. Niemand konnte von Paul verlangen, daß er nach dem Anruf in New York ständig zu Hause blieb.
Vielleicht hatte er inzwischen mehr über Kulls Organisation herausgefunden. Bannister zuckte mit den Schultern.
»Dann eben später«, brummte er und beschloß, irgendwo in der Nähe einen Kaffee zu trinken.
Er würde sein Glück in einer Stunde noch mal versuchen.
Vielleicht traf er dann Paul zu Hause an.
Als er sich zum Gehen umwandte, sträubten sich plötzlich seine Nackenhärchen. Die Tür war nicht ganz geschlossen! Irgend etwas stimmte da nicht!
Paul war ein gewissenhafter Mensch. Eine offene Tür gab es bei dem nicht. Bannister legte die Hand auf die Tür.
Sie schwang langsam und lautlos zur Seite.
Der CIA-Agent griff nach dem Revolver, der in seinem Gürtel steckte. Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Er kräuselte die Stirn und begann sich Sorgen um den Freund zu machen.
»Paul?«
Nichts.
»Paul!«
Keine Antwort.
Bannister durchquerte langsam eine große, saubere Diele. Er erreichte die Küche, betrat sie, blickte sich aufmerksam um, trat wieder heraus, ging weiter.
Das miese Gefühl verstärkte sich in ihm. Für ihn wurde es fast zur Gewißheit, daß ihn in diesem Apartment eine unangenehme Überraschung erwartete.
Man hatte gewußt, daß er nach London kommen würde. Wußte man auch, daß er hier Paul aufsuchen würde?
War Paul nicht vorsichtig genug gewesen? Konnten sich Kull-Gangster an seine Fersen heften?
Noel Bannister blieb stehen. Er sog die Luft durch die Nase ein, als wollte er Witterung aufnehmen. Dieser Geruch, der da um seine Nase wehte, war ihm nicht unbekannt.
Oft schon hatte er ihn riechen müssen.
Den Geruch des Blutes!
Drei rasche Schritte brachten Noel Bannister an die Wohnzimmertür. Er rammte sie auf und hielt unwillkürlich den Atem an. Der Raum war leer.
Zumindest hatte es diesen Anschein. Als Noel Bannister wieder atmete, wußte er, daß sein Freund da war. Paul befand sich in diesem Raum.
Es roch intensiv nach Blut – Paul Poones Blut. Bannister ging weiter. Nach zwei Schritten entdeckte er Paul. Aber sein Freund und Kollege war nicht allein.
Es war jemand bei ihm. Ein Mann mit brauner, rissiger Haut. Und durch eine tödliche, rote Verbindung aneinander gekettet, lagen die beiden tot am Boden.
***
Professor Mortimer Kull lächelte eiskalt. Mitleidlos betrachtete er Lance Selby.
Triumph glitzerte in Kulls
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