038 - Das zweite Leben des Mortimer K.
erwarten zu können, auszusteigen.
»Versuch keine Heldentaten zu setzen, Vicky«, sagte ich zu meiner Freundin. »Wir wissen auch so, daß du überdurchschnittlich gut bist. Du brauchst es uns nicht zu beweisen.«
»Tony hat ausnahmsweise mal recht«, sagte der Ex-Dämon. »Du hältst dich besser hinter uns.«
»He, Moment mal, was heißt, ich habe ausnahmsweise mal recht?«
sagte ich und boxte meinen Freund leicht gegen die Schulter. »Schon vergessen? Punkt eins: Tony Ballard hat immer recht. Punkt zwei: Sollte er ausnahmsweise mal nicht recht haben, tritt automatisch Punkt eins in Kraft.«
»Er geht mit alten Witzen hausieren«, sagte Mr. Silver und zog geringschätzig die Mundwinkel nach unten. »Fällt dir nichts Neues mehr ein?«
»Für dich genügt das Alte. Du hast ohnedies kein Langzeitgedächtnis«, konterte ich und stieß den Wagenschlag auf.
Wir verließen den Peugeot; ich holte die magische Streitaxt aus dem Kofferraum und schob die Metallseite unter mein Jackett.
»Hast du einen Plan?« fragte Mr. Silver. »Ich würde vorschlagen, die Front von der Seite aufzurollen, also vom Nachbarhaus aus.«
»Genau das ist mein Plan«, sagte ich.
»Ich nehme an, man wird das Haus nach allen Seiten gut abgesichert haben«, bemerkte Vicky.
Mr. Silver grinste. »Alarmmeldungen sind doch kein Problem für einen Tausendsassa wie mich.«
»Kommt!« sagte ich.
Wir erreichten den Eingang des Nachbarhauses, das genauso unscheinbar aussah wie der Stützpunkt der Organisation des Schreckens.
Mein Blick streifte ganz kurz das andere Gebäude. Dort drinnen befand sich hoffentlich auch Lance Selby – und hoffentlich hatte er Professor Kulis Serum noch nicht in seinem Körper.
Mr. Silver drückte auf die Türklinke. Das Haustor ließ sich nicht öffnen.
»Abgeschlossen«, brummte der Ex-Dämon.
»Soll ich mit meinem Drahtbürstenschlüssel…?« fragte ich, doch der Hüne winkte ab.
»Laß nur, Tony«, sagte Mr. Silver. Er legte seine Hände auf das Schloß. Ich sah ein silbriges Flirren über seine Handrücken geistern, es knackte kaum hörbar, und dann ließ sich die Tür öffnen.
»Von dir können selbst die erfahrensten Einbrecher noch etwas lernen«, sagte ich.
»Nicht einmal der Einbrecherkönig von London kann mir das Wasser reichen«, behauptete Mr. Silver, und das war nicht gelogen, denn welcher Verbrecher ist schon in der Lage, Magie einzusetzen?
Wir betraten einen düsteren Flur, der vor einem dämmrigen Treppenhaus endete. Stille herrschte in dem alten Gebäude. Wir stiegen die Stufen hoch.
Unser Ziel war das Dach. Von dort wollten wir auf das Nachbardach überwechseln.
»Wäre großartig, wenn sich Professor Kull zur Zeit nebenan aufhalten würde«, meinte Mr. Silver. »Ich würde ihm nämlich gern die Hand schütteln, und zwar mitten ins Gesicht.«
»Bei unserem sprichwörtlichen Glück ist er anwesend«, gab ich zurück.
Wir langten im dritten Stock an. Und wieder standen wir vor einer abgeschlossenen Tür. Diesmal war sie aus Metall. Mr. Silver nahm sich ihrer an, und im Handumdrehen war sie kein Hindernis mehr.
»Vorsichtig!« sagte ich zu Mr. Silver, als er die Tür öffnete. »Je länger sie nichts von uns wissen, desto besser für uns.«
Wir traten auf das Flachdach und überblickten das abendliche Paddington. Es war nicht sehr weit bis zu meinem Haus in der Chichester Road.
Hölle und Teufel, ausgerechnet hier siedelte sich die Organisation des Schreckens an.
Ein kühler Lufthauch streifte meine erhitzten Wangen. Ich preßte die Kiefer zusammen und nickte Mr. Silver zu, als er mich ansah.
Das bedeutete, daß er weitergehen sollte.
Wir näherten uns mit der nötigen Vorsicht dem Rand des Daches.
Vicky Bonney ging sicherheitshalber zwischen uns. Sie holte ihre Derringer-Pistole aus der Handtasche, ich zog die magische Streitaxt unter der Jacke hervor.
Mr. Silver war auf keine Waffe angewiesen. Er war in seiner ganzen Person eine Waffe.
Vicky Bonney stoppte plötzlich. Sie spreizte die Arme ab und hielt damit auch Mr. Silver und mich auf.
»Ist was?« fragte ich.
»Dort drüben bewegt sich etwas«, raunte mir Vicky zu.
Ich blickte in die Richtung, in die sie wies. Zunächst sah ich in der Dunkelheit nur einen großen weißen Kreis.
Hubschrauberlandeplatz! schoß es mir sofort durch den Kopf, aber es war kein Helikopter zu sehen.
Und dann entdeckte ich, was Vicky Bonneys scharfes Auge als erstes gesehen hatte. Es war ein länglicher Kasten, der sich immerzu im Kreis
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