038 - Der Rächer
sehr leid tut, was neulich passiert ist. In Zukunft werde ich Ihre Ansicht respektieren, dass ein Mädchen nur den Mann zu küssen braucht, den sie gern mag. Habe ich nicht recht?« fragte er.
»Selbstverständlich haben Sie recht. Aber bitte vergessen Sie doch die ganze Geschichte, Sir Gregory.«
»Also, ich werde Sie nicht gegen Ihren Willen küssen, besonders wenn Sie in meinem Hause sind. Bitte, verzeihen Sie mir.«
»Ich will Ihnen gern verzeihen.« Sie wandte sich um und wollte gehen, aber er fasste sie am Arm.
»Sie kommen doch zum Abendessen?« Er wies mit dem Kopf nach Brixan, der die beiden keinen Augenblick aus den Augen . gelassen hatte. »Ihr Freund hat mir versprochen, dass er Sie zu mir begleiten will.«
»Welcher Freund?« fragte sie und runzelte die Stirn. »Meinen Sie etwa Mr. Brixan?«
»Ja, den meine ich. Warum lassen Sie sich eigentlich mit derartigen Leuten ein? Ich will damit nicht sagen, dass er ein schlechter Mensch ist, im Gegenteil, ich habe ihn persönlich sogar sehr gern ... Werden Sie zum Essen kommen?«
»Nein, ich kann nicht kommen«, sagte sie. Ihre alte Abneigung kam wieder zum Durchbruch.
»Mein liebes Fräulein«, sagte er ernst, »Sie können von mir alles haben. Warum zerbrechen Sie sich Ihr schönes Köpfchen, um diese blöden Filme zu spielen? Wenn Sie wollen, gründe ich Ihnen eine eigene Filmgesellschaft, und Sie sollen die besten Autos haben, die überhaupt für Geld zu haben sind.« Seine Augen glühten auf, als er dies sagte, und sie schüttelte sich vor Widerwillen.
»Ich brauche nichts, Sir Gregory. Ich habe alles, was ich brauche«, antwortete sie kurz. Sie war sehr böse auf Brixan. Wie durfte er eine Einladung für sie annehmen? Wie durfte er sich überhaupt ihren Freund nennen? Ihr Ärger über Brixan machte ihre Abneigung gegen Gregory im Augenblick geringer. »Kommen Sie heute Abend - lassen Sie sich von ihm begleiten«, sagte Gregory mit heiserer Stimme. »Ich möchte Sie gern heute Abend bei mir haben. Verstehen Sie mich? Sie werden die Nacht bei dem alten Longvale logieren, da können Sie sich leicht frei machen.« »So etwas werde ich nie tun. Ich glaube, Sie wissen selbst nicht, was Sie sagen, Sir Gregory«, entgegnete sie ihm. »Alles, was Sie mir da eben gesagt haben, beleidigt mich aufs tiefste.« Sie wandte sich brüsk von ihm ab. Mike Brixan hätte sie gern angeredet, aber sie warf den Kopf in den Nacken und ging schnell an ihm vorbei. Er erschrak, als er sie ansah. Einen Augenblick dachte er nach und ahnte dann die Ursache ihres Verhaltens.
Als die verschiedenen Apparate alle eingepackt waren und die ganze Gesellschaft wieder in dem Autobus saß, sah Mike, dass Helen ihren Platz zwischen Jack Knebworth und dem schmollenden Connolly gewählt hatte. Er war klug genug, sich jetzt nicht in ihre Nähe zu drängen. Der Wagen wollte gerade anfahren, als Sir Gregory zu Brixan kam und auf das Trittbrett stieg.
»Sie sagten doch, dass Sie sie zu mir bringen würden. -« begann er.
»Wenn ich das gesagt hätte, wäre ich betrunken gewesen«, entgegnete Mike. »Und dazu gehört mehr als ein Glas Whisky! Miss Leamington kann tun und lassen, was sie will. Sie wäre sicherlich schlecht beraten, wenn sie mit Ihnen oder einem anderen Mann allein zu Abend speisen würde.«
Er erwartete eine zornige Erwiderung, aber zu seinem größten Erstaunen lachte der dicke Mann nur und winkte ihm freundlich zum Abschied. Als der Wagen durch das Parktor fuhr, blickte sich Mike um und sah Gregory mit einem Mann sprechen. Bei näherem Zusehen erkannte er Foß, der aus irgendeinem Grund zurückgeblieben war.
Dann blickte er über die beiden Männer noch einmal auf die Fenster der Bibliothek. Dort saß der ungeheure Bhag in seinem dunklen Raum und wartete nur auf die Befehle seines Herrn, um sie ohne Vernunft und Mitleid restlos auszuführen. Mike Brixan, der doch schon durch viele Gefahren gegangen war, zitterte bei diesem Gedanken.
9
Dower House lag abseits von der Hauptstraße. Die Besitzung bestand aus einer Menge unregelmäßiger kleiner Gebäude, die sich hinter verwilderten Hecken und schiefen Mauern erhoben. Früher hatte sich ein Pförtner um das Anwesen gekümmert, aber sein Häuschen lag verlassen da, die Fenster waren zerbrochen, und das Ziegeldach war schwer beschädigt. Die Tore standen schon seit Generationen offen und lehnten zertrümmert gegen die Mauer.
Wo früher saftige, gutgepflegte Rasenflächen prangten, zeigte sich nun ein wüstes Dickicht von
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