038 - Verbotene Sehnsucht
gehen und einige Wochen lang auf Wasser und Wellen blicken, die ihn nach Hause tragen würden. Und wenn er dort angekommen war? Nun, dann würde er sein Leben weiterleben, als hätte es eine Frau namens Emeline niemals gegeben.
Nur dass sein Leben, sosehr es äußerlich auch seinem alten ähneln mochte, inwendig ein ganz anderes wäre. Er würde sie nicht vergessen, seine geliebte Emeline, auch in sechzig Jahren nicht, sollte er denn so lang leben. Dessen war er sich nun gewiss, als er an ihrem kalten Kamin saß. Sie würde ihn für den Rest seines Lebens begleiten. Wenn er durch die Straßen Bostons liefe, wenn er seine Geschäfte führte oder mit Bekannten plauderte, wäre sie wie ein guter Geist stets an seiner Seite. Sie säße neben ihm, wenn er aß, sie läge neben ihm, wenn er schlief. Und wenn seine Zeit auf Erden ihr Ende fände, würde sein letzter Gedanke ihr gelten.
Ihr Duft, der Duft von Zitronenmelisse, würde ihn immer verfolgen.
Und so blieb er noch ein wenig sitzen und sah ihr beim Schlafen zu. Nun, da sich sein weiteres Leben schier endlos vor ihm erstreckte, schienen ihm diese letzten Augenblicke mit ihr umso kostbarer. Er wollte sie sich für immer bewahren.
Sie würden ihm ein Leben lang genügen müssen.
18. KAPITEL
Die Wachen banden Eisenherz an einen großen Pfahl und häuften Dornenzweige zu seinen Füßen auf. Derweil sah er sich um und entdeckte inmitten der Menge seine Frau, die neben ihrem Vater, dem König, stand und weinte. Der Anblick war ihm so unerträglich, dass Eisenherz die Augen schloss. Und dann wurden die Zweige entzündet. Sie fingen rasch Feuer, und die Flammen schlugen hoch hinauf in den dunklen Himmel. Funken flogen so weit, als wollten sie sich zu den Sternen gesellen, und der böse Zauberer jauchzte vor Entzücken. Doch dann geschah etwas sehr Seltsames. Denn obwohl Eisenherzens Kleider lichterloh brannten und schon bald nur noch Asche waren, blieb sein Leib unberührt. Wie er sich so in den Flammen wand, ward sein Herz zu sehen, wie es ihm kräftig auf der bloßen Brust schlug. Ein eisernes Herz, das weiß glühte in der Hitze ...
Eisenherz
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war Samuel fort. Eines der Mädchen machte sich geräuschvoll am Kamin zu schaffen und versuchte, das Feuer in Gang zu bringen. Wahrscheinlich war es in der Nacht ausgegangen.
Seufzend schloss Emeline die Augen wieder. Sie mochte dem Tag nicht entgegensehen. Und als sie die Augen schloss, spürte sie etwas Feuchtes aus sich rinnen. Erst dachte sie, es wäre Samuels Samen, doch als sie einen Blick unter die Decke warf, entdeckte sie einen weitaus vertrauteren Fleck. Ihr allmonatlicher Besucher hatte sich eingestellt. Doch statt Erleichterung darüber zu empfinden, dass ihrer Heirat mit Jasper nun nichts mehr im Wege stünde, empfand sie tiefe, verzweifelte Enttäuschung. Wie töricht von ihr! Wie töricht, Samuels Kind in sich tragen zu wollen. Keine andere Wahl haben zu wollen, als ihn zu heiraten.
Diese Erkenntnis ließ Emeline den Atem stocken. Ihr Kopf - oder vielmehr ihr Verstand, so sie ihn nicht völlig verloren hatte - mochte wissen, dass es eine Katastrophe wäre, Samuel zu heiraten, doch ihr Herz zeigte sich weit weniger einsichtig.
„Kann ich Ihnen etwas bringen, Mylady?" Das Mädchen hatte jäh in seinem Tun verharrt und besorgt zu Emeline hinübergeschaut.
Im ersten Schreck musste sie irgendeinen Laut von sich gegeben haben, sich ihren inneren Aufruhr leichtfertig haben anmerken lassen, wenn sogar das Mädchen darauf aufmerksam geworden war. Emeline setzte sich auf. „Nein, nichts. Danke."
Worauf das Mädchen nickte und sich wieder dem Kamin zuwandte. „Tut mir leid, dass ich so lange brauche, Mylady", sagte es entschuldigend. „Aber ich bekomme das Feuer heute kaum an."
Emeline sah sich nach ihrem Morgenrock um und fand ihn neben dem Bett auf dem Boden. Noch während das Mädchen ihr den Rücken zukehrte, stand sie rasch auf und hüllte sich darin ein. „Wahrscheinlich liegt es an der kalten, feuchten Luft. Lass mich mal probieren."
Doch sooft Emeline auch einen brennenden Span in die Kohlen hielt, sie wollten einfach kein Feuer fangen.
„Nun, dann eben nicht", gab sie es schließlich gereizt auf. „Lass ein heißes Bad nach nebenan in meinen Salon bringen. Dort brennt doch ein Feuer, oder?"
„Ja, Mylady", sagte das Mädchen.
„Dann kleide ich mich eben dort an."
Eine Stunde später war Emelines Badewasser kalt geworden. Verstimmt ließ sie die Finger im
Weitere Kostenlose Bücher