038 - Verbotene Sehnsucht
aufhörte, würde sie wahnsinnig.
Dann endlich sah er auf - indes ohne von seinem nervtötenden Tun abzulassen. Er betrachtete sie mit leichter Belustigung. „Wann haben Sie sich eigentlich zuletzt bei einem Mann entschuldigt?"
Oh, was für ein unverschämter Trampel er doch war!
„Ich weiß es nicht mehr", meinte sie betrübt. „Wahrscheinlich ist es Jahre her." Mit einem Schritt war sie bei ihm und legte ihre Hand entschieden auf die Tasten. Sie schaute ihn an und lächelte fein. „Aber ich meine mich zu erinnern, dass meine Entschuldigung ihn sehr zufriedengestellt hat."
Seine Hände verharrten über den Tasten, Stille senkte sich über den Raum. Seine Augen blickten so eindringlich, dass es fast beängstigend war. Wie gebannt schaute Emeline ihn an. Sie sah, wie er seinen Blick über ihr Gesicht schweifen und schließlich auf ihrem Mund ruhen ließ. Ohne auch nur einen Gedanken zu fassen, öffnete sie die Lippen. Seine Augen verengten sich, er machte einen Schritt auf sie zu und hob die Arme ...
Die Tür des Ballsaals ging auf.
„Wären wir jetzt so weit?", fragte Tante Cristelle. „Noch eine Stunde, mehr nicht.
Meine Hände werden verkrüppeln, wenn ich noch länger auf diesem Instrument spiele."
„Ja, natürlich", stieß Emeline atemlos hervor. Wahrscheinlich war sie puterrot im Gesicht. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Mr. Hartley es irgendwie bewerkstelligt hatte, sich auf die andere Seite des Cembalos zu manövrieren - in mehr als respektable Entfernung. Wie hatte er das geschafft? Ihr war nicht einmal aufgefallen, dass er sich überhaupt bewegt hatte.
„Fühlen Sie sich nicht gut, Lady Emeline?", fragte das Mädchen unschuldig. „Sie sehen erhitzt aus."
Oh, diese Kolonisten mit ihren ungeschliffenen Manieren! Emeline sah den schrecklichen Mann flüchtig, aber unverschämt grinsen und tröstete sich damit, dass es außer ihr wohl niemand bemerkt hatte.
„Keineswegs", beschied Emeline und zog ihren linken Ärmel zurecht. „Wir wollen noch einmal mit der Schrittfolge beginnen, mit der wir geendet haben, ehe wir unterbrochen wurden. Mr. Hartley, da ich fürchte, dass Sie sich furchtbar langweilen werden, steht es Ihnen hiermit frei, wieder Ihren Geschäften nachzugehen."
„Das würde ich ja gern, Lady Emeline", erwiderte Mr. Hartley, ließ sich auf einem Stuhl nieder, legte die Beine übereinander und schien sich auf eine lange Sitzung einzurichten. „Nur leider habe ich gerade überhaupt nichts zu tun. Ich fürchte fast, den ganzen Nachmittag frei zu haben."
„Nun, wenn das so ist, freuen wir uns selbstverständlich über Ihre Gesellschaft", beschied sie kühl. Ks wäre wahrlich zu viel
verlangt, würde man daraufhin ein Lächeln von ihr erwartet haben.
Tante Cristelle schaute sie scharf an und hob die Brauen - ob fragend oder tadelnd war schwer zu sagen. Emeline mäßigte ihre Miene, und die Tante begann wieder zu spielen. Doch kaum hatte Rebecca die ersten Tanzschritte gemacht, war Emeline in Gedanken auch schon wieder bei dem peinlichen Wortwechsel mit Mr. Hartley.
Was war nur in sie gefahren? Es war allgemein bekannt, dass Gentlemen es schätzten, wenn Damen sanft und zurückhaltend waren. War nicht das die Lektion, die jedem Mädchen von klein auf eingebläut wurde? Sanfte Zurückhaltung und seine Jungfräulichkeit bis zur Hochzeit bewahren, wobei Letzteres in ihrem Fall nichts mehr zur Sache tat. Sie konnte sich nicht einmal auf die Wirkung des Weins berufen, den sie zum Mittagessen getrunken hatte, denn der war wieder einmal betrüblich verwässert gewesen, wie die Tante ohne Fehl bemerkt hatte.
Und dann die unsägliche Schlüpfrigkeit der letzten Erwiderung, die sie Mr. Hartley gegeben hatte! Sie errötete, wenn sie nur daran dachte. Aber vielleicht war ihm die Zweideutigkeit ihrer Worte ja entgangen? Verstohlen schaute Emeline zu Mr. Hartley hinüber. Unter halb gesenkten Lidern hervor beobachtete er sie, ein feines Lächeln spielte um seine Lippen. Als er ihren Blick auffing, hob er kurz eine Braue.
Hastig sah Emeline beiseite. Ganz offensichtlich war ihm nichts entgangen.
„Oh, ich werde das nie lernen!" Mitten in einer Drehung blieb Rebecca stehen. „Das geht viel zu langsam. Ich habe ständig das Gefühl, über meine eigenen Füße zu stolpern und zu stürzen."
„Vielleicht brauchst du einen Partner", schlug Mr. Hartley vor. Er stand auf und verbeugte sich galant vor seiner Schwester. „Dürfte ich bitten?"
Das Mädchen errötete ganz reizend. „Und es
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