038 - Verbotene Sehnsucht
eigentlich geht mich das ja wirklich nichts an."
Selbst im schwachen Schein der Kutschenlampe sah er, wie ihre Wangen sich röteten.
„Nein, es geht Sie wirklich nichts an", erwiderte er. „Aber nicht aus dem Grund, an den Sie denken."
Wäre sie ein schwarzes Huhn gewesen, würde sie jetzt ihr Gefieder aufgeplustert haben. „Ich weiß nicht, was Sie damit andeuten wollen, Mr. Hartley. Aber ich ..."
„Sie glauben, dass ich bei einer Hure war." Lächelnd ließ er sich tiefer ins Kutschenpolster sinken und schlug die Beine übereinander. Die Hände steckte er in die Taschen seiner Weste und amüsierte sich köstlich. „Geben Sie es ruhig zu."
„Das werde ich ganz gewiss nicht!"
„Ihre rosigen Wangen haben Sie längst verraten."
„Ich ... ich ..."
Er schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Welch eine verdorbene Fantasie Sie haben. Ich bin schockiert, Mylady, aufrichtig schockiert."
Im ersten Moment konnte sie vor lauter Entrüstung nur stammeln, doch sie fasste sich rasch und nahm Sam scharf ins Visier. Er machte sich auf einiges gefasst. Ach, wie gut es sich mit dieser Frau streiten ließ!
„Es ist mir absolut gleichgültig, wie Sie sich nach Einbruch der Dunkelheit die Zeit vertreiben", beschied sie. „Ihre Angelegenheiten kümmern mich nicht im Geringsten."
Das war eine tadellos anständige Aussage, die das Thema beenden sollte, denn es war offensichtlich, dass sie sich damit unwohl fühlte. Wäre er ein Gentleman, beließe er es dabei und würde über etwas so Unverfängliches und Langweiliges wie das Wetter sprechen. Doch leider fiel es einem Jäger verdammt schwer, von einer Beute abzulassen, die sich so verlockend in Reichweite präsentierte.
Mal ganz abgesehen davon, dass unverfängliche Konversation ihn schon immer gelangweilt hatte. „Mein Zeitvertreib sollte Ihnen gleichgültig sein, aber das ist er keineswegs, nicht wahr?"
Sie runzelte die Stirn und setzte zu einer Erwiderung an.
„Moment", kam er ihr zuvor. „Es ist nach Mitternacht, und wir sind allein in einer dunklen Kutsche. Was hier gesagt wird, wird niemals ans Tageslicht gelangen. Tun Sie mir den Gefallen, Mylady, und sprechen Sie ganz offen."
Sie holte tief Luft und lehnte sich so weit zurück, dass ihr Gesicht im Dunkel verschwand. „Was kümmert es Sie, ob mich Ihr Tun interessiert, Mr. Hartley?"
Er lächelte trocken. „Touché, Mylady. Ein kultivierter Gentleman aus Ihren Kreisen würde wahrscheinlich bis auf den Tod verleugnen, dass Ihr Interesse ihn kümmere, aber ich bin bekanntlich etwas einfacher gestrickt."
„Sind Sie das?" Ihre Worte waren nur ein Flüstern in der Dunkelheit.
Er nickte bedächtig. „Und deshalb sage ich Ihnen: Ihr Interesse bewegt mich. Sie bewegen mich."
„Sie sprechen sehr offen."
„Können Sie von sich dasselbe sagen?"
Ihr stockte hörbar der Atem, und kurz fürchtete er, dass er zu weit gegangen wäre und sie sich aus diesem gefährlichen Spiel zurückziehen werde. Immerhin war sie eine Dame von Stand, und es gab gewisse Regeln und Grenzen in ihrer Welt.
Doch dann lehnte sie sich ganz langsam vor, bis ihr Gesicht wieder von dem warmen Licht erhellt wurde, das durch das Kutschenfenster hereinfiel. Unverwandt sah sie ihm in die Augen und hob eine ihrer schwarzen Brauen. „Was, wenn ich es täte?"
Das Herz hüpfte ihm in der Brust, weil sie es wagte, den Handschuh aufzuheben, den er ihr hingeworfen hatte - fast fühlte es sich wie Freude an. Er grinste sie an.
„Dann, Mylady, würden wir ein Interesse teilen, welches wir in Zukunft vertiefen könnten."
„Vielleicht", erwiderte sie unverbindlich und lehnte sich wieder zurück. „Und was haben Sie nun so spät auf der Straße getrieben?"
Er schüttelte den Kopf und lächelte leise.
„Sie wollen es mir nicht sagen", stellte sie fest, als die Kutsche langsam ausrollte und schließlich stehen blieb.
„Nein." Er schaute aus dem Fenster. Sie waren vor ihrem Stadthaus angekommen, das von unzähligen Lichtern erhellt war. Er wandte den Blick wieder zu Lady Emeline. „Aber ich war nicht bei einer Frau, darauf haben Sie mein Wort."
„Mir soll es einerlei sein."
„Aber das ist es nicht."
„Sie sind recht anmaßend, Mr. Hartley."
„Keineswegs."
Ein Lakai öffnete den Kutschenschlag. Sam stieg aus und bot dann ihr die Hand. Sie zögerte kurz, als überlege sie, ob sie sich von ihm helfen lassen sollte oder nicht.
Umgeben vom Dunkel der Kutsche, schimmerten ihr blasses Gesicht und ihr Dekollete so hell, als würden sie von
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