038 - Verbotene Sehnsucht
verraten, Hartley. Das wäre mir niemals in den Sinn gekommen."
Sam starrte den Viscount an. Er wollte ihm nicht glauben. Weil er Antworten suchte, war er den ganzen langen Weg nach England gekommen, und er hatte gehofft, dass Vale der Schlüssel zu allem wäre. Er hatte gehofft, die Wahrheit herauszufinden und Spinner's Falls endlich hinter sich lassen zu können. Aber Vales Motiv dafür, das Regiment verraten zu haben, hatte sich soeben in Luft aufgelöst. Zudem sagte ihm sein Instinkt, dass Vale nicht der Verräter war. Und selbst wenn sein Instinkt ihn trog, war da immer noch Lady Emeline. Sie vertraute diesem Mann. Sie vertraute ihm, verdammt noch mal.
Lady Emeline stand auf und strich ihre Röcke glatt. „Was vermutlich heißen dürfte, dass jemand anders der Verräter ist, oder?"
„Du solltest ruhig auf den Ball zurückkehren", sagte Emeline zu Jasper. „Rebecca und ich fahren jetzt besser nach Hause."
Obwohl sie Samuel nicht in ihre Worte eingeschlossen hatte, war er es doch, um den sie sich am meisten sorgte. Er hielt sich mittlerweile zwar, ohne zu schwanken, auf den Beinen, doch stand ihm noch immer der Schweiß im erschreckend bleichen Gesicht.
Während sie mit Jasper sprach, mied sie es tunlichst, in Samuels Richtung zu schauen. Sie wusste, dass er es nicht geschätzt hätte, wenn sie sich im Beisein eines anderen Mannes um ihn besorgt gezeigt hätte. „Um unnötige Aufmerksamkeit zu vermeiden, hielte ich es für besser, nicht noch einmal durch den Ballsaal zu gehen - Rebecca hatte für einen Abend wahrlich genug der Aufregung. Am besten lasse ich Tante Cristelle ausrichten, dass sie vor dem Haus auf uns warten soll, und wir nehmen den Weg durch den Garten."
„Non!", ertönte es da in aller Schärfe hinter ihr.
Erschrocken fuhr Emeline herum. Allem Anschein nach waren ihre Nerven doch angespannter, als sie es je für möglich gehalten hätte.
Tante Cristelle schloss die Tür hinter sich und trat aus dem Schatten des Hauses.
„Drinnen tuschelt man schon über den Streit zweier Gentlemen." Sie bedachte besagte Gentlemen mit finsterem Blick, doch nur Jasper besaß den Anstand, reuig dreinzuschauen. „Weshalb ich hier bleiben und die Gerüchte im Keim ersticken werde. Ich sage einem der Diener Bescheid, dass er die Kutsche hinten in der Gasse vorfahren lassen soll."
„Aber wie kommst du denn dann nach Hause?", fragte Emeline.
Die Tante zuckte nonchalant die Schultern. „Wozu habe ich denn so viele Freunde?
Irgendjemand wird mich schon mitnehmen." Sie warf einen kurzen Blick auf Rebecca, die arg mitgenommen aussah. „Und Sie gehen jetzt schön brav ins Bett und ruhen sich aus, ma petite."
Emeline gönnte ihrer Tante ein müdes, doch zutiefst dankbares Lächeln.
„Danke,Tante."
Tante Cristelle schnaubte nur. „Wofür?", fragte sie. „Dir bleibt mit diesen beiden Streithähnen doch der weitaus schwierigere Part überlassen." Sie nickte ihnen kurz zu und verschwand wieder im Haus.
Emeline straffte die Schultern und wandte sich ihren Streithähnen zu.
„Ich begleite dich zur Kutsche", erbot sich Jasper und reichte ihr den Arm. Sie nahm sein Angebot dankend an und tadelte sich dafür, enttäuscht darüber zu sein, dass es nicht von Samuel kam.
Schweigend ließ sie sich von. Jasper durch den Garten der Westertons zur hinteren Gasse führen und war sich alldieweil bewusst, dass Samuel mit seiner Schwester dicht hinter ihnen ging. Sobald sie die erste Straßenlaterne erreicht hatten, schaute sie Jasper an. „Ich danke dir. Und bleib nicht zu lang."
„Jawohl, Madam", erwiderte Jasper und grinste vergnügt. „Pünktlich um Mitternacht werde ich brav im Bett liegen."
Emeline krauste enerviert die Nase, weil Jasper nie etwas ernst nehmen konnte.
Was ihn indes nur noch vergnügter zu stimmen schien. In diesem Augenblick kam auch schon die Kutsche um die Ecke gerumpelt.
„Ich möchte, dass du und die Hartleys morgen zu mir zum Tee kommen, damit wir ausführlich über diese Sache reden können", sagte sie rasch. Nicht gerade eine stilvolle Einladung. Sie hatte Samuel und Rebecca nicht einmal angeschaut, obwohl die beiden sie gewiss gehört hatten.
Jasper betrachtete sie denn auch mit gehobenen Brauen. Er mochte oft und gern den Schelm spielen, doch das hieß keineswegs, dass er gewillt war, sich von ihr herumkommandieren zu lassen. Gespannt hielt sie den Atem an.
Doch dann lächelte er wieder. „Natürlich. Schlaf gut, meine Liebe."
Er beugte sich über sie und streifte mit den
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