038 - Verbotene Sehnsucht
ungläubig. „Sie glauben allen Ernstes, ich hätte 264 Männer in den Tod geschickt, nur um meine Schulden bei Clemmons loszuwerden? Sie müssen verrückt sein."
Vielleicht war er das ja wirklich. Neben ihm hatte Rebecca zu weinen begonnen, und Lady Emeline betrachtete ihn so argwöhnisch, als fürchte sie, er könne sich gleich wie von Sinnen zu Boden werfen. Vale hingegen erwiderte seinen Blick unerschrocken.
Sam sah den Viscount an jenem Tag bei Sppinner's Fälls vor sich, wie er durch das Gemetzel geprescht war und versucht hatte, zu Colonel Darby zu gelangen. Als man sein Pferd unter ihm weggeschossen hatte, war Vale furchtlos aus dem Sattel gesprungen. Sam hatte ihn einen Schlachtruf ausstoßen sehen, der im Lärm untergegangen war, hatte gesehen, wie er wild seinen Säbel schwang und mit ansehen musste, wie Darby von seinem Pferd geholt und hingemetzelt wurde. Und selbst da, als die Schlacht so offensichtlich verloren war, hatte Vale unerbittlich weitergekämpft.
Sam sollte sich bei ihm entschuldigen und unauffällig den Rückzug antreten. Dieser Mann konnte unmöglich ein Verräter sein. Doch etwas in ihm. flüsterte beharrlich: Ein tapferer Soldat muss kein ehrlicher Mensch sein. Bevor man ihn in Gewahrsam genommen hatte, war auch MacDonald allen als guter, tapferer Soldat erschienen.
Gegen diese Ungewissheit half nur eines: Sam musste die Wahrheit über Spinner's Falls herausfinden.
Lady Emeline schüttelte sich, als wolle sie einen schlechten Traum vertreiben.
Wortlos drehte sie sich um und marschierte mit kerzengera dem Rücken zurück zum Haus, wo an der Tür zum Ballsaal ein Lakai stand, der das Spektakel mit großen Augen verfolgte. „Diener." Lady Emeline zeigte mit dem Finger auf ihn. „Bringen Sie uns Wein und Kekse." Kurzerhand machte sie ihm die Tür vor der Nase zu.
„Mehr haben Sie nicht vorzubringen?", fragte Vale. „Meine Spielschulden lassen Sie zu der Vermutung gelangen, dass ich unser Regiment verraten hätte, mich von den Indianern hätte gefangen nehmen und Reynaud dabei hätte umkommen lassen?"
Lady Emeline zuckte bei der Erwähnung ihres Bruders zusammen. Vale schien es nicht zu bemerken.
Eigentlich hatte Sam in ihrer Anwesenheit nicht darüber sprechen wollen, aber nun ließ es sich wohl nicht mehr vermeiden. „Es gab einen Brief, in dem unsere Route nach Fort Edwards genau dargelegt wurde. Einschließlich einer Karte mit Zeichnungen, die auch den Wyandot verständlich gewesen sein dürfte."
Vale lehnte sich an die Brüstung. „Woher wissen Sie von diesem Brief?"
„Er befindet sich in meinen Händen."
Rebecca hatte zu weinen aufgehört und sagte ungläubig: „Deshalb wolltest du also, dass ich ausgerechnet diesen Ball besuche! Mit mir hatte das überhaupt nichts zu tun. Du wusstest, dass du hier Lord Vale treffen würdest."
Verdammt. Sam schaute seine kleine Schwester an. „Nun, ich ..."
„Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?"
„Oder mir", kam es von Lady Emeline. Ihre Stimme war ruhig, aber Sam wusste, dass er sich zu früh freute, wenn er glaubte, sie
wäre nicht wütend auf ihn. „Reynaud ist bei dem Massaker ums Leben gekommen.
Meinen Sie nicht, ich hätte ein Anrecht darauf, die Wahrheit zu erfahren?"
Sam runzelte gereizt die Stirn. Ihm brummte der Schädel, er hatte einen widerlich sauren Geschmack im Mund und fühlte sich von den beiden Frauen, die ihm gerade am meisten bedeuteten, bedrängt. Was ging es sie überhaupt an? Dies war eine reine Männersache - wenngleich er nicht so dumm war, das laut zu sagen.
Vale schien da weitaus weniger Bedenken zu haben. „Emmie, dies wird nur alte Wunden bei dir aufreißen. Warum gehst du nicht mit Miss ..." Er warf einen fragenden Blick auf Rebecca.
„Miss Hartley", sagte Lady Emeline kühl. „Mr. Hartleys Schwester."
„Miss Hartley, sehr erfreut." Vale gab sich sogar des Verrats bezichtigt noch galant und verneigte sich kurz. „Warum geht ihr beide nicht einfach wieder hinein und vergnügt euch auf dem Ball?"
Fast hätte Sam die Augen verdreht. Wusste Vale denn gar nichts über Frauen? Oder zumindest über seine Verlobte?
Lady Emeline lächelte frostig. „Nein, ich glaube, ich bleibe lieber hier."
Wieder wollte Vale zu einer Erwiderung ansetzen, dieser Idiot.
„Ich bleibe auch", kam Rebecca ihm zuvor.
Alle drehten sich nach ihr um. Rebecca wurde rot, reckte jedoch wacker das Kinn.
Lady Emeline räusperte sich, „Lasst euch nicht stören. Wir setzen uns solange."
Sie marschierte zu
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