038 - Verbotene Sehnsucht
waren übersteigert, dessen war sie sich bewusst. Ständig buhlte sie um seine Aufmerksamkeit, als wäre sie ein kleines Kind und nicht eine erwachsene Frau. Warum sie das tat, wusste sie selbst nicht genau.Vielleicht ...
„Einen schönen guten Tag!"
Erschrocken fuhr Rebecca herum. Zu ihrer Rechten öffnete sich die Hecke auf eines der Karrees mit einer Bank, von der sich nun ein Mann erhob. Er hatte auffallend rote Haare, und im ersten Moment wusste sie ihn nicht einzuordnen. Erst als er auf sie zukam, erkannte sie in ihm Samuels ehemaligen Kameraden aus der Armee, den sie kürzlich im Kaffeehaus getroffen hatten und an dessen Namen sie sich nicht mehr erinnern konnte.
„Oh! Ich hatte Sie überhaupt nicht gesehen."
Er lächelte und zeigte schöne weiße Zähne. „Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe."
„Schon gut." Verlegen sah sie sich in dem ansonsten verlassen daliegenden Garten um. „Ahm ... warum ...?"
„Sie fragen sich gewiss, was ich in Ihrem schönen Garten zu suchen habe."
Sie nickte erleichtert.
„Nun, eigentlich wollte ich Ihrem Bruder einen Besuch abstatten", sagte er mit feinem, vertraulichem Lächeln. „Aber leider war er gerade außer Haus, und so wollte ich hier auf ihn warten. Ich hatte gehofft, mit ihm ein bisschen über alte Zeiten zu reden. Viele sind wir ja nicht mehr aus dem alten Regiment. Die meisten sind beim Massaker umgekommen, und wer überlebt hat, ist bald darauf anderen Regimentern zugeteilt worden."
„Spinner's Falls", flüsterte sie.
Der Name hatte sich nun auch ihr ins Gedächtnis eingebrannt. Samuel hatte ihn ihr gegenüber nie zuvor erwähnt. Bis zum gestrigen Abend hatte sie nicht die geringste Ahnung gehabt, welche Bedeutung das schreckliche Ereignis für ihn hatte.
Sie beugte sich vor, begierig darauf, mehr zu erfahren. „Können Sie mir etwas über Spinner's Falls erzählen? Was genau ist dort geschehen? Samuel spricht nicht mit mir darüber."
Überrascht hob er die Brauen, dann nickte er. „Natürlich. Das kann ich verstehen."
Die Hände auf dem Rücken verschränkt, schlenderte er gemächlich weiter, das Kinn auf der Brust und scheinbar tief in Gedanken versunken.
„Das Regiment befand sich auf dem Rückmarsch von Quebec", begann er zu erzählen. „Nachdem wir die Festung der Franzosen gestürmt hatten. Quebec war sehr gut befestigt gewesen, und die Belagerung hatte den ganzen Sommer gedauert, doch am Ende haben wir gesiegt. Als dann der Herbst kam, dachten sich unsere Befehlshaber, dass es besser wäre, den Rückzug noch vor Wintereinbruch anzutreten. Also sind wir nach Süden marschiert, Richtung Fort Edward. Außer den Offizieren kannte niemand unsere Route. In den Wäldern lauerten überall Indianer, es war sehr gefährlich. Colonel Darby, der den Oberbefehl über das 28. hatte, wollte es nach Möglichkeit bis zum Fort schaffen,
ohne dass die Rothäute uns überhaupt bemerkten."
„Aber so sollte es nicht sein", sagte Rebecca leise.
„Nein." Er seufzte. „Nein, so sollte es nicht sein. In der zweiten Woche wurden wir angegriffen. Wir marschierten nur in Zweierreihen, weshalb das Regiment sich auf fast eine halbe Meile erstreckte, als wir in einen Hinterhalt gerieten." Er verstummte.
Rebecca wartete, dass er fortfuhr, doch er schwieg. Mittlerweile waren sie am Ende des Gartens angelangt, bei der Pforte, durch die man in die Gasse bei den Stallungen gelangte. Sie blieb stehen und schaute Samuels Freund an. Wie hieß er gleich noch mal? Warum nur konnte sie sich Namen so schlecht merken?
„Was geschah dann?"
Er legte den Kopf in Nacken und sah blinzelnd zum Himmel hinauf, bevor er ihr einen kurzen, verstohlenen Blick zuwarf und fortfuhr: „Sie griffen uns von beiden Seiten an, und die meisten unserer Leute wurden bei dem Überfall getötet.
Bestimmt haben Sie schon mal gehört, dass die Indianer ihre Opfer mit ihren Kriegsbeilen skalpieren, sich sozusagen eine Siegestrophäe holen. Und Sie können sich gewiss meinen Kummer vorstellen ...", er strich sich andächtig über sein leuchtend rotes Haar, „... als ich einen dieser Wilden einem seiner Kumpane zurufen hörte, dass er es auf meinen Schopf abgesehen hätte, weil er gar zu schön wäre."
Rebecca starrte auf ihre Schuhspitzen. War sie nun zufrieden, da sie etwas von dem erfahren hatte, was ihr Bruder hatte durchmachen müssen? Vielleicht wäre es besser gewesen, unwissend zu bleiben.
„Ich bin noch mal davongekommen", redete Samuels Freund weiter, „aber den armen
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