0380 - Jagd auf die Teuflische
einmal im Schutz einer solchen Kutte unbehelligt in den Palast eingedrungen. Entdeckt worden war er erst später, als er die Kutte nicht mehr trug und gegen Sara Moons dressiertes Ungeheuer zu kämpfen hatte.
Aber diesmal ging es darum, Wang Lee so schnell wie möglich zu befreien. Und dabei war die Kutte eher hinderlich. So groß der Einfluß der Brüder vom Blauen Stein auch sein mochte, er würde kaum bis in den Kerker des Königs reichen. Da mußte Zamorra sich etwas anderes einfallen lassen.
Hinzu kam, daß der niedergeschlagene Bruder bald erwachen und Alarm geben würde. Von jenem Moment an würde man die Brüder etwas eingehender kontrollieren, wenn sie den Palast betraten, und vielleicht auch in den Straßen und Schänken oder wo auch immer sie zu verkehren pflegten, um Ungläubige zu ihrer Lehre von den drei Göttern zu bekehren.
Zamorra befand sich also im Zugzwang.
Wenn er mehr Zeit zur Verfügung gehabt hätte, hätte er versuchen können, Verbündete zu gewinnen. So mancher Bewohner Faronars wäre wahrscheinlich erfreut über ein paar Münzen und würde dafür eine Menge tun, zumal Zamorras Geldkatze noch reichlich gefüllt war. So, wie Sid Amos ihn ausgestattet hatte, konnte er hier mindestens zwei Monate lang in äußerstem Luxus schwelgen. Aber er hatte nicht vor, so lange hier zu verweilen. So sehr gefiel es ihm hier in Ash’Cant nun auch wieder nicht.
Die Dämmerung war über die Stadt hereingebrochen. In Kürze würde es bereits stockfinster sein.
Zamorra sah eine Zwei-Mann-Streife der Garde. Des Königs Männer sorgten für Ordnung in der Stadt. Die beiden Bewaffneten schlenderten über den Gehsteig und zwängten sich an Zamorra vorbei, ohne ihn zu grüßen. Es störte ihn nicht.
Ob es auch einzelne Streifengänger gab?
Noch während er überlegte, kam ihm ein anderer Gedanke. Er beeilte sich, in eine Seitengasse abzubiegen, umrundete den Häuserblock und sah die beiden Gardisten wieder vor sich auftauchen.
»Hierher, schnell!« schrie er und winkte heftig. »Helft mir!«
»Was ist los?« rief einer der beiden. Im nächsten Moment setzten sie sich hastig in Bewegung. Sie liefen zwar nicht; so begierig schienen sie nicht zu sein, einem Bruder in irgend einer Weise aus irgend einer Klemme zu helfen, aber sie beschleunigten immerhin ihre Schritte.
Zamorra war zwischen zwei Häuschen verschwunden und umrundete schnell eines von ihnen. Als die beiden Gardisten ihm zwischen die Hütten folgten, tauchte er bereits wieder in ihrem Rücken auf. Er packte sie bei den behelmten Köpfen und schlug sie gegeneinander. Betäubt sanken die beiden Männer zusammen.
Zamorra grinste und entledigte sie nacheinander ihrer Rüstungen. Eine davon zog er selbst an; sie paßte ihm hervorragend. Selbst den Helm konnte er unter der großen Kapuze der Kutte tragen, die er anschließend wieder über die Rüstung zog. Dann fesselte er die beiden Besinnungslosen. Die zweite Rüstung, die aus Beinschienen, Harnisch und Helm bestand, hätte er gern für Wang mitgenommen, aber wie transportieren, ohne daß es auffiel? Kurzentschlossen versteckte er sie hinter ein paar Abfallfässern im Hinterhof. Dann ließ er die bewußtlosen Gardisten liegen und setzte seinen Weg in Richtung Palast fort.
Wenn die Rüstung bloß nicht unter seiner Kutte klirrte oder irgendwie auffiel…
Das große Tor der Schutzmauer tauchte vor ihm auf. Gleich vier Wächter langweilten sich dort, auf ihre Hellebarden gestützt. Zamorras Schritte stockten nicht. In unverändertem Tempo kam er heran.
Würden sie ihn passieren lassen? Oder hatte sich in den letzten Wochen hier Entscheidendes verändert?
***
Wang Lee konnte sich vorstellen, daß der Hauptmann keine leeren Versprechungen machte. Der Versuch, von sich selbst abzulenken, war fehlgeschlagen. Er hatte Reet nicht beim König in Mißkredit bringen können, sondern sich statt dessen Reets Zorn zugezogen.
Er hätte es sich denken können. Reet war schon lange Offizier der Garde. Wang Lee dagegen war damals wie heute ein Fremder, der es nur seiner Geschicklichkeit mit dem Schwert zu verdanken hatte, daß er schnell Leutnant geworden war. Aber als Fremder hatte er ansonsten nicht viel zu erwarten.
Alles sprach gegen ihn.
Es war ein Fehler gewesen, nach Ash’Cant und Faronar zurückzukehren, nur weil er die Gegend hier gut kannte. Vielleicht wäre es besser gewesen, Rob Tendyke zu schicken. Den kannte hier wenigstens niemand, so daß er sich ungehindert hätte bewegen können.
Aber wie
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