0381 - Die schwebenden Leichen von Prag
oder verstaucht haben. Es… es schmerzt grausam.«
»Bleib liegen. Ich werde dafür sorgen, daß man dich abholt.« Der Mann aus Rußland holte ein flaches Funkgerät hervor, zog die Antennen heraus und suchte nach einer Verbindung.
Er bekam Kontakt und schilderte in knappen Sätzen die Sache.
Dann befahl er, einen Hubschrauber zu schicken. Er ordnete auch an, daß die Maschine auf der Lichtung vor dem Haus landen sollte.
Wenn es möglich war, sollte auch ein Arzt an Bord sein.
Man versprach dem Mann, alles Menschenmögliche zu tun. Für den Russen war die Sache erledigt. Nicht allein um Dinek mußte er sich kümmern, draußen lag auch John Sinclair.
»Bleib du liegen«, sagte er zu Josef. »Ich bin gleich wieder bei dir. Für Hilfe ist auch gesorgt.«
»Danke…«
Der Russe lachte. »Wozu? Du hättest mit mir zusammenarbeiten sollen, dann wäre das nicht passiert. Aber ihr wolltet ja alles allein machen, ihr Ignoranten.«
»Tut mir leid…«
»Du solltest dir leidtun.« Der Russe erhob sich und verließ den Raum. Er eilte nach unten, verließ die Jägerhütte und trat in die Dunkelheit auf der Lichtung.
Nichts war mehr von den drei Leichen zu sehen. Sie hatten sich längst verflüchtigt. Der Schein war von der Finsternis verschluckt worden. Neben Sinclair ging er in die Knie. Für Leute wie den Geisterjäger gab es nur eine Lösung, um sie aus der Bewußtlosigkeit zu holen. Die Radikalmethode nach Art des Hauses.
Wodka half bei allem.
Ein kleines Fläschchen trug der Russe ständig bei sich. Er holte es hervor, schraubte den Verschluß ab und setzte dem Geisterjäger die Öffnung gegen die Lippen. Zuvor hatte er ihm einige Male gegen die Wangen geschlagen. Er hörte das leise Stöhnen und brummelte.
»Wer sagt’s denn, auch die Engländer haben harte Schädel…«
***
In diesem Fall mußte ich einen harten Nacken gehabt haben, denn ich hatte das Gefühl, als wäre er entweder überhaupt nicht mehr vorhanden oder um das Dreifache gewachsen, als ich mich allmählich aus den Tiefen der Bewußtlosigkeit löste.
Irgend jemand kippte mir Salzsäure in die Kehle. Jedenfalls brannte das Zeug in meinem Rachen. Obwohl ich es nicht mochte, schluckte ich es automatisch herunter, und ich vernahm eine dunkle Männerstimme, die mir den Befehl gab, noch einen Schluck zu trinken.
»Das ist die beste Medizin, John!«
So langsam kam mein Denkapparat wieder auf Touren. Parallel zu meiner Erinnerungsfähigkeit, und ich dachte wieder an die kurz zurückliegende Vergangenheit.
Da hatte man mich überwältigt. Der Schlag war für mich überraschend gekommen. Was dann während meiner Bewußtlosigkeit alles passiert war, entzog sich meiner Kenntnis.
Ich schluckte weiter. Auch dann noch, als man mir die Flasche entzog.
»He, Sinclair, es reicht.«
Die Stimme klang fremd. Bisher hatte ich die Augen noch nicht geöffnet, das holte ich nun nach und schaute in die Dunkelheit hinein, aus der sich nur schwach der Umriß eines helleren Gesichts abzeichnete.
Es war ein Männergesicht!
»Da bist du wieder, Towaritsch!«
Towaritsch? Das war russisch und bedeutete so viel wie Freund.
Aber ich befand mich nicht in Rußland, sondern in der Tschechei, da redet man sich anders an.
Der Mann vor mir bewegte sich. Er nahm seine Taschenlampe und leuchtete sich selbst an, zudem so, daß ich nicht geblendet wurde und sein Gesicht erkennen konnte.
Das Gesicht war schmal. Seinen Schädel bedeckte das flache, blonde, gescheitelte Haar, die leicht gekrümmte Nase, der schmale Mund, die hervorspringenden Wangenknochen, all das kam mir verdammt bekannt vor. Diesen Menschen kannte ich.
»Na?« hörte ich ihn sprechen.
Ich ächzte, dachte an meinen Nacken und sagte mit leiser Stimme.
»Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Rußland, Sinclair. Roter Platz, die Zombies in Sibirien, das Atomkraftwerk…«
Da wußte ich Bescheid.
»Wladimir Golenkow«, flüsterte ich. »Verdammt, kann es denn möglich sein? Oder träume ich?«
»Ja, du hast recht. Ich bin es.«
Ich war sprachlos. Damit hätte ich nicht gerechnet. Plötzlich stürzte einiges auf mich zu. Woher kam Golenkow? Was hatte er hier zu suchen? Wieso hockte er neben mir, und weshalb war von den schwebenden Leichen nichts mehr zu sehen?
»Was denken Sie jetzt?« fragte der Russe.
»Wenn ich das wüßte…«
Er lachte. »Jedenfalls können Sie es mir verdanken, daß Sie noch leben, Sinclair.«
»Wie das?«
Er berichtete, daß der Mann, dem die schwebenden Leichen gehorchten,
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