0382 - Der Teufel wohnt nebenan
fand ihn wieder, weil der weiß gestrichene Bauhelm durch die Heckscheibe eines Taxis leuchtete. Nun war es einfacher. Die Fahrt ging schnurgerade nach Norden, bis hinauf in die hohen achtziger Straßen, fast schon Harlem, das Farbigenviertel. Das Taxi hielt an der Ecke der Dritten Avenue, und Sullivan kam heraus. Ich hielt den Abstand groß genug, als ich ihm nun zu Fuß folgte. Wenn er das Taxi wechselte, war ich angeschmiert, weil ich meinen Wagen zurückgelassen hatte, aber hier oben sind Taxis nicht so leicht aufzutreiben wie weiter unten in der City, und so verließ ich mich darauf, dass er von seinem Ziele nicht mehr allzu weit entfernt sein konnte.
Diesmal schien mir das Glück hold zu sein. Schon nach ein paar Schritten in die Querstraße hinein bog Sullivan auf ein breites, hohes Holztor zu, das einen Spalt offen stand. Ich wartete, bis er hinter dem Tor verschwunden war, bevor ich mich näherte. Aufgemalte und schon stark verblichene Buchstaben kündigten auf dem Tor den Sitz einer Firma an, die sich »Rüster Batton’s Baustoffhandlung«, nannte. Ich blieb stehen, zündete mir eine Zigarette an und dachte darüber nach, wo ich den Namen Rüster Batton schon gehört hatte. Es fiel mir nicht ein, aber der Name kam mir bekannt vor.
Schließlich ging ich zurück, holte den Wagen und parkte ihn so, dass ich die Einfahrt mit dem Tor im Auge behalten konnte. Der zweifarbige Mercury besaß ein Sprechfunkgerät, und diesen Umstand machte ich mir zunutze.
Ich nahm den Hörer und erhielt eine Meldung der Funkleitstelle der Stadtpolizei. Ich las vom Armaturenbrett, wo sich ein winziges Schildchen befand, Nummer und Kennwort des Fahrzeugs ab und bat um eine Verbindung mit dem Archiv im Districtsgebäude des FBI. Dort meldete sich ein Kollege vom Nachtdienst.
»Hier ist Cotton«, sagte ich. »Sehen Sie mal nach, ob wir Material von einem gewissen Rüster Batton haben.«
Ich buchstabierte den Namen. Wenige Minuten später hörte ich: »Zweimal vorbestraft wegen Veruntreuung und Unterschlagung. Seit er das letzte Mal rausgekommen ist - 1960 - betreibt er eine Baustoffhandlung am Rande von Harlem. Wir haben eine vertrauliche Mitteilung der Steuerfahndung, dass man seinen Steuererklärungen nicht traut. Aber man konnte ihm noch keine Steuerhinterziehung nachweisen.«
»Vielleicht kann ich den Kollegen von der Steuerfahndung ein bisschen behilflich sein«, erwiderte ich. »Einstweilen vielen Dank.«
Ich richtete mich häuslich ein, indem ich die Beine schräg über die vordere Sitzbank legte und mir eine Zigarette ansteckte.
Meine Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt. Gegen neun, als es schon anfing, dunkel zu werden, schlenderte ein Mann an dem Tor vorbei, der seiner Kleidung nach entweder ein in schreiende Farben vernarrter Geck oder aber eine Figur aus der Unterwelt sein musste, die ja schon immer eine Vorleibe für die geschmacklosesten Farbzusammenstellungen in ihrer Kleidung hatte. Als der eitle Bursche mit den zweifarbigen Halbschuhen zweimal die Straße hinauf- und hinabgebummelt war, drückte er sich rasch durch den Spalt des offen stehenden Tores. Und keine zehn Minuten später erschienen zwei weitere. Nach abermals zehn Minuten kam wieder ein einzelner.
Und den kannte ich, ich kannte ihn sogar auf den ersten Blick. Es war Kakteen-Sammy. Man nannte ihn so, weil er in seiner Wohnung an jedem freien Platz Kakteen stehen hatte, die er selber züchtete. Kakteen-Sammy hieß mit vollem Namen Sam Modgers.
Es gab nicht mehr viel Paragraphen in unseren Gesetzbüchern, gegen die Sammy nicht irgendwann einmal verstoßen hatte.
Zusammen mit Sullivan trafen sich hinter dem Tor also mindestens schon sechs Mann, den vorbestraften Geschäftsinhaber mitgerechnet.
Ich wartete und wartete. Gegen elf hatte ich die letzte Zigarette aus der Packung geraucht.
Gegen halb zwölf dann ging der Rummel los. Das Tor wurde von innen aufgezogen, und ein schwerer Lastwagen rumpelte heraus. Im Führerhaus drängten sich drei Mann. Ich prägte mir schnell das Kennzeichen des Wagens ein, ließ den Motor an und wartete. Erst als der Truck genug Distanz gewonnen hatte, rollte ich an und folgte.
Ihr Ziel war die Baustelle in der 21 .Straße, wo wir am Morgen die Leiche von Carola Full gefunden hatten. Ich ließ den Mercury ohne Licht stehen und lockerte die Dienstpistole in der Schulterhalfter. Nim konnte der-Tanz losgehen.
***
Um halb zehn abends brannte in der Mordabteilung Manhattan West noch in vielen Zimmern das Licht. Eins
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