0382 - Höllen-Friedhof
bekommen.
In einer Reflexbewegung riß ich den rechten Arm in die Höhe, hatte auch die Hand gespreizt und spürte den Druck, als das Menschlein dagegenprallte.
Sofort griff ich zu.
Ich hörte ihn schreien, sah den großen Schädel dicht vor mir, auch die bösen Augen und den weit aufgerissenen Mund.
Im nächsten Augenblick spürte ich auf meiner Schulter die Hand des Russen. Ihm dauerte meine Reaktion zu lange, deshalb riß er mich in die magische Zone.
Und damit in die Reise, die keiner erklären konnte…
***
Er hatte es doch geschafft!
Für einen Moment blieb der Chinese stehen und schloß die Augen. Er dachte daran, daß Shao zurückgeblieben war und hoffte, daß sie sich auch weiterhin nicht sehen ließ.
Für die Geisel war es schlimm. Sie saß da, als wäre sie zu Stein geworden. Speichel rann aus ihren Mundwinkeln, während sie den kalten Revolverlauf im Mund hatte.
Kamikazes rechter Zeigefinger lag am Abzug. Wenn sich die Frau einmal nur rührte, würde er abdrücken. Suko kannte diesen Killer, der war gnadenlos.
Die anderen Gäste saßen ebenfalls an den Tischen, als wären sie dort festgewachsen. Sie wagten nicht einmal, laut zu atmen. Das Auftauchen des Killers hatte sie getroffen wie ein Hammerschlag.
Plötzlich war das Grauen in die Idylle eingebrochen. Da irgendwo ein Wasserhahn nicht ganz zugedreht war, hörten sie das Klatschen der Tropfen auf den Blechboden einer Spüle. Andere Geräusche waren nicht zu vernehmen.
Suko machte sich große Vorwürfe, in dieses Lokal gegangen zu sein. Er hätte noch besser achtgeben sollen, und den Killer nicht unterschätzen dürfen. Der war mit allen Wassern gewaschen, kannte die Tricks und war sicherlich mit seinem Herrn und Meister, Akim Samaran, unterwegs.
»Komm ruhig näher, Gelber!« flüsterte Kamikaze. Seine Stimme klang böse.
Suko nickte. »Ja, ich komme, aber laß das Mädchen in Ruhe, dann reden wir weiter.«
Der Killer lachte kehlig. »Würdest du deinen letzten Trumpf aus der Hand geben, Chink?«
»Ich würde es erst gar nicht dazu kommen lassen«, erwiderte Suko. »Das kannst du mir glauben.«
»Ich bin nicht so edel wie du. Für mich zählt allein der Erfolg. Da ist mir jedes Mittel recht. Die Kleine hat Angst, das spüre ich. Es liegt in deiner Hand, diese Angst zu beenden. Du brauchst nur den Würfel zu nehmen und hier auf den runden Tisch zu legen. Alles andere übernehme ich. Aber ich warne dich. Ich kenne die Funktion des Würfels. Ich weiß, daß man ihn nach dem eigenen Willen einsetzen kann. Hüte dich, auch nur den Versuch zu machen, ihn zu manipulieren. Ich würde es sofort bemerken und nicht nur das Mädchen erschießen, auch einige andere hier mit auf die lange Reise nehmen…«
»Es ist klar.«
»Dann komm her, Chink!«
Suko war nur froh, daß Kamikaze sich auf eine Person konzentrierte und nicht auch noch Shao oder andere in seiner Gewalt hielt. Es war nicht sehr weit bis zu dem runden Tisch in der Mitte, und Suko legte die Entfernung trotzdem sehr langsam zurück.
Alles lag bei ihm.
Er wurde von zahlreichen Augen beobachtet. Die Menschen drückten ihm die Daumen, und er war sich auch der Verantwortung bewußt, die auf seinen Schultern lastete.
Wenn er sich falsch bewegte oder irgend etwas tat, das dem anderen nicht paßte, würde es in diesem Lokal ein fürchterliches Blutbad geben. Das wollte Suko vermeiden.
Der Würfel war sehr viel wert. John und Suko hatten gekämpft, um ihn zu bekommen, aber mehr als ein Menschenleben konnte er niemals wert sein. Deshalb würde ihn Suko abgeben, auch wenn dann die Jagd nach ihm wieder von vorn begann.
Ein Stuhl stand ihm im Weg. Mit dem rechten Fuß schob ihn Suko zur Seite. Er hörte, wie er über den Boden kratzte. Es war neben Sukos Schritten das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Jetzt brauchte er nur noch zwei Schritte zu gehen, um den Tisch zu erreichen.
»Komm schon!« der Killer lockte ihn wie einen kleinen Hund.
»Setz ihn ab.«
»Augenblick noch!«
In Kamikazes Gesicht zuckte es. »Noch eine dumme Antwort, dann erschieße ich dich zuerst!«
Genau das war das Problem. Wie Suko Kamikaze einschätzte, würde der nicht zögern, ihn zu erschießen. Auch wenn er den Würfel hatte, denn der Killer konnte sich ausrechnen, daß auf ihn eine Jagd beginnen würde, und da mußte er praktisch jedes Risiko ausschalten.
Ein Geräusch unterbrach die Stille. Jeder hörte es, aber keiner wagte es, auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Vielleicht die Augen, denn
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