0382 - Höllen-Friedhof
das Geräusch war vom Eingang her aufgeklungen, und dort hatte sich die Tür bewegt.
Jemand kam.
Schleichende Schritte hörten sie. Der Eingang lag ein wenig im Schatten, so daß der Mann nicht allzu deutlich gesehen werden konnte. Erst wenig später hob sich seine Gestalt schärfer ab.
Kamikaze saß mit dem Rücken zum Eingang. Suko aber konnte erkennen, wer da angekommen war.
Akim Samaran!
Das Herz des Chinesen schlug schneller, denn auch Samaran war bewaffnet. Aus seiner rechten Faust schaute die Mündung eines großkalibrigen Revolvers. Im Schatten blieb der Perser stehen. Sein Gesicht war nur ein Fleck, doch seine leise Stimme klang messerscharf, als er die folgenden Worte sprach.
»Hüte dich vor einer falschen Bewegung, Chinese! Ich bin gekommen, um abzurechnen. Nur den Würfel wollen wir. Denk daran, daß ich Kamikaze den Rücken decke.«
»Schon klar.« Suko erkannte seine Stimme kaum wieder.
»Und jetzt stell ihn ab!«
Der Chinese kam dem Befehl des Persers nach. Auch seine Hände zitterten vor diesem alles entscheidenden Schritt. Daran merkte der Inspektor, daß er doch keine Maschine war.
Er hatte den Tischrand erreicht.
Kamikaze saß noch immer an der gleichen Stelle. Er hatte sich kaum gerührt, nur ein wenig den Kopf gedreht, so daß er den Chinesen anschauen konnte. Der Revolverlauf aber steckte nach wie vor im Mund seiner weiblichen Geisel, und der Finger lag dabei am Abzug.
Behutsam und lautlos setzte Suko den Würfel auf der Tischplatte ab. In der Mitte lag eine rechteckige, weiße Decke.
Als der Inspektor den Würfel losließ und sich wieder aufrichten wollte, hatte der Killer etwas dagegen. »Nein, nicht so«, sagte er mit leiser Stimme. »Du wirst ihn herschieben. Vorsichtig, hübsch langsam, und bilde dir keine Schwachheiten ein!«
Suko hob den Blick.
Er schaute in die kalt glitzernden Pupillen des Mörders und kam dem Befehl nach.
Es tat ihm in der Seele leid, den Würfel wieder aus der Hand geben zu müssen, aber er sagte sich, daß auch ein Mann wie John Sinclair an seiner Stelle nicht anders gehandelt hätte.
So schob er den Würfel quer über den runden Tisch, drückte die Decke dabei zur Seite und beobachtete, wie Kamikaze seine linke Hand von der Geisel löste und von der Tischplatte den Würfel aufnehmen wollte.
Gleichzeitig zog er den Revolverlauf aus dem Mund seiner Geisel und drückte die Mündung dann gegen den Hals des Mädchens.
Dann legte er seine freie Hand auf die oberste Würfelfläche. Es war eine besitzergreifende Geste, und die leicht gekrümmten Finger ließen darauf schließen, daß dieser Mensch nicht mehr bereit war, den Würfel abzugeben. Es sei denn, man zwang ihn dazu oder erschoß ihn.
»Jetzt hast du ihn!« sagte Suko und richtete sich auf.
Kamikaze holte Luft. »Ja, jetzt habe ich ihn.« Er bewegte beide Beine und stieß das Mädchen, das mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte, damit zu Boden.
Es schrie auf und rollte sich zum Glück aus der unmittelbaren Gefahrenzone.
Suko bekam nicht die Zeit, diese Chance zu nutzen, denn Kamikaze zeigte etwas von seiner Reaktionsschnelligkeit, als er seinen rechten Arm sofort drehte und die Waffenmündung auf den Körper des Inspektors richtete. »Bewege dich nicht!«
Steif blieb Suko stehen.
Kamikaze ließ ihn nicht aus den Augen. Er besaß sehr große Hände. Das waren knochige Killerfäuste, bei denen der Vergleich mit einer Bratpfanne fast schon zutraf. Aus diesem Grunde konnte er auch den Würfel mit einer Hand in die Höhe hieven.
Das tat er auch. Gleichzeitig drückte er sich selbst von der Stuhlfläche nach oben, ohne Suko aus den Augen zu lassen oder die Waffe um einen Millimeter zu bewegen.
Das war schon außergewöhnlich, wie er gleichzeitig drei verschiedene Dinge tat und sich trotzdem voll unter Kontrolle hatte.
Er stand.
Rechts hielt er die Waffe, links den Würfel. Starr schaute er den Inspektor an.
Suko erkannte die Gnadenlosigkeit in den Augen des anderen, und er sah noch mehr.
Den Willen zum Mord!
Ja, ohne daß Kamikaze ein Wort gesagt hätte, war er entschlossen, den Chinesen zu töten. Er brauchte nur den Finger zu krümmen.
Über sein breites und gleichzeitig auch längliches Knochengesicht, das Ähnlichkeit mit dem eines Pferdes aufwies, glitt ein widerliches und wissendes Grinsen.
»Vorm Sterben noch ein Wort«, sagte er zu Suko. »Sogar ein Kompliment. Nicht jeder hat es geschafft, mir so lange zu widerstehen wie du. Aber zum Schluß war ich immer der Bessere. Wie
Weitere Kostenlose Bücher