0382 - Höllen-Friedhof
sehen, was anderen verborgen blieb, und ich werde mich auch nicht mehr aufhalten lassen, auch nicht von einem Kreuz, wie du es trägst, obwohl es sehr stark ist, wie ich zugeben muß. Deshalb werde ich wieder zurückkehren in die meinige Zeit und euch hier verschollen lassen. Der Tunnel, den du siehst, ist für mich gemacht. Es ist eine Röhre der Zeit, die mich verschlingen kann. Auch in der Gegenwart existiert sie noch, so daß es nur zu einem Austausch der Zeiten zu kommen braucht, um das magische Phänomen begreifen zu können. Ich habe den Homunkulus in der Gegenwart gefunden und ebenfalls in der Vergangenheit. Ich weiß jetzt, daß es ihn gegeben und er die Zeiten überdauert hat. Was die magischen Kräfte des auslaufenden Mittelalters nicht geschafft haben, werde ich versuchen zu vollenden. Die Magie des Rabbi lebt, und sie wird auch in mir weiterleben, das verspreche ich.«
Dieser Mann war gefährlich und nicht nur ein Großsprecher, das wußten der Russe und ich. Aber es gab jemanden, der ihn an Gefahr und Stärke noch übertraf, auch wenn er längst nicht so wirkte.
Homunkulus, das Menschlein!
Ich hatte ihn nur für einen kurzen Moment aus den Augen verloren. Als ich wieder hinschaute und mein Blick sich in sein Gesicht festsaugte, erkannte ich in den Augen des Kleinen ein grausames Glühen. Dieser Ausdruck war so stark, daß ich davor Angst bekam und unwillkürlich einen Schritt zurückging.
Und er fauchte mich an.
Ein böses Geräusch drang aus seinem Mund, gleichzeitig hörten wir ein infernalisches Heulen, als ein gewaltiger Sturm über den Friedhof tobte. In dieses Geräusch hinein brüllte der Tscheche mit sich überschlagender Stimme:
»Das ist die Hölle. Das ist der Teufel, er kommt, um mir, nein, um uns beizustehen…«
Wladimirs Geschrei ließ mich herumfahren. Er stand noch in der Tür und deutete in die Dunkelheit.
»Da, John, da!« schrie er.
Ich wuchtete ihn zur Seite, schaute selbst nach und sah ebenfalls die gewaltige, schwarze Wolke über dem Friedhof schweben.
War das der Teufel?
Nein, sie sah mir eher nach dem Spuk aus. Doch auch er war es nicht. Und dann lösten sich aus der Wolke vier Gestalten. Sie schwebten auf ihren pechschwarzen Pferden durch die Luft.
Und sie hatten einen Namen.
AEBA!
Oder auch die vier Reiter der Apokalypse genannt. Unter diesem Begriff waren sie im Dreißigjährigen Krieg bekannt und auch von Albrecht Dürer gemalt worden.
Ich kannte sie noch unter einem anderen Namen und dachte auch an schreckliche Begegnungen mit ihnen.
Es waren die Horror-Reiter!
***
Vier Wesen, die wie ein mörderischer Spuk durch die schwarzmagische Historie geisterten. Die aus den Tiefen längst versunkener Zeiten entstanden und dem Schwarzen Tod zur Seite gestanden hatten und nach seiner Vernichtung das Zepter selbst in die Hand genommen hatten.
Die Reiter der Apokalypse. Vier in dunklen Rüstungen steckende Wesen, die allesamt gepanzerte schwarze Kleidung trugen, deren vordere Seite jeweils mit den Anfangsbuchstaben derjenigen Dämonen verziert worden waren, denen sie dienten.
Vier Namen, vier Begriffe, vier Erzdämonen.
A = Astaroth, E = Eurynome, B = Bael, A = Amducias!
Genau so hießen ihre eigentlichen Herren, die Erzdämonen, die sich bisher, mit Ausnahme von Bael, zurückgehalten hatten.
Auch ich hatte gegen die Reiter gekämpft. Mehrere Male schon, und sie hatten mir immer wieder den Tod prophezeit. Zum Glück war ich Sieger geblieben, sah sie wieder vor mir, und sie boten einen erschreckenden Anblick.
Ihre Pferde stießen ein grollendes Wiehern aus und dabei fauchten Flammen aus ihren Mäulern, die über die Bäume des Friedhofs zuckten, einen schaurig-schönen Schein verbreiteten und dabei kein einziges Blatt verbrannten.
Sie ritten durch die Luft, kamen aus der Entfernung, und ich hatte das Gefühl, als befänden sie sich zwar über uns, aber noch in einer anderen Dimension.
Ich kannte sie, der Russe noch nicht. Deshalb drehte er sich um und faßte mich hart an. »John, wer ist das?«
»Die Horror-Reiter!«
»Und was wollen sie?«
»Uns töten«, erwiderte ich lakonisch.
Er zuckte zurück. »Das sagst du so einfach?«
»Weil ich sie kenne. Aber ich werde dafür sorgen, daß es nicht dazu kommt.«
Der Russe begann schallend zu lachen. Es klang bitter. »Wie willst du gegen die ankommen?«
»Das werde ich dir schon beweisen.« Mehr sagte ich ihm nicht, denn ich verfolgte bereits einen Plan.
Die Horror-Reiter waren nicht ohne Grund erschienen.
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