0384 - Skylla, die Menschenschlange
wiederholte sich. Diesmal sogar nahe des Eingangs. Etwas peitschte durch das Wasser, bevor es sich aus der Öffnung schob, von einer leichten Strömung gepackt wurde, so daß ich fahle Haare erkennen konnte, die plötzlich hochstanden.
Die Haare gehörten zu einem Frauengesicht, das auf der Spitze eines Kraken- oder Schlangenarms saß…
***
Glenda Perkins vernahm die knackenden und brechenden Geräusche der Kunststoffumhüllung. Sie sah auch das Zeug zu Boden fallen und hatte ihren ersten heißen Schreck überwunden, weil sich Bonzo Zeit ließ. Sie versuchte inzwischen ihren rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen und sich nichts von ihrer Furcht anmerken zu lassen.
Noch saß sie in der Hocke. Deshalb kam ihr der andere auch so gewaltig vor. Jetzt stemmte sie sich langsam hoch, schüttelte den Kopf und deutete auf die rechte Hand des Mannes, deren Finger soeben die letzten Reste des Sprechgeräts zerbrachen.
»Was machen Sie da, verdammt?«
Bonzo gab eine Antwort auf seine Weise. Er öffnete die Faust und seinen Mund. Aus der Hand rieselten noch einige Teile, und aus dem Mund drang der dunkelhaarigen Glenda ein Laut entgegen, der sie an ein Gurgeln oder Glucksen erinnerte.
Mehr konnte Bonzo nicht sagen.
Aber er wußte genau, was er zu tun hatte. Der seitliche Schritt in Richtung Tür sprach Bände.
»Was soll das?« fragte sie. »Verdammt, weshalb haben Sie mein Sprechfunkgerät zerstört?« Glenda hatte beschlossen, es mit Forschheit zu versuchen. Sie streckte ihren Arm aus. »Verlassen Sie sofort den Raum, sonst werde ich der Marquesa Bescheid geben!«
Bonzo reagierte nicht, und Glenda war es leid. Sie lief zur Tür, wollte Bonzo auf die Probe stellen und bereute es im nächsten Augenblick, denn der Stumme war schneller als sie.
Und er nahm keine Rücksicht.
Seine breiten Hände, vor denen sie sich so fürchtete, schlugen zu und trafen ihre beiden Schultern. Glenda hatte das Gefühl, von Stahlfingern umklammert zu werden, so hart hatte der andere zugegriffen. Er wirbelte sie herum und schleuderte sie gegen die Wand.
Mit dem Rücken krachte Glenda gegen die Wand, dicht neben der Tür zum Bad. Über ihrem Kopf wackelte ein altes Ölbild, es blieb aber hängen.
Bonzo kam auf sie zu.
Er ging wuchtig, und nichts konnte ihn aufhalten. Mit einem heftigen Fußtritt räumte er den Kleidersack aus dem Weg. Er flog fast bis auf das Bett, so hart war er getreten worden.
Glenda wünschte sich, eine Waffe zu haben. Nur so hätte sie den anderen aufhalten können, aber sie wollte auch nicht aufgeben und es mit den Fäusten versuchen.
Vielleicht rechnete Bonzo nicht mit einem Angriff ihrerseits. Als Glenda startete, schlug sie schon zu. Von zwei verschiedenen Seiten wollte sie den Mann mit der Sonnenbrille treffen. Sie zielte auf seinen Hals und wurde schon im Ansatz abgeblockt. Blitzschnell faßte Bonzo nach, drehte Glendas Arm auf den Rücken, umklammerte mit seiner anderen Hand ihre Hüfte und stemmte sie hoch.
Er schleuderte sie fort.
Glenda hatte Glück im Unglück, daß sie auf das Bett fiel, einsackte, hochgewirbelt wurde, sich überrollte und auf der anderen Seite zu Boden kippte.
Sie wollte aufstehen und mußte feststellen, wie schnell der Stumme doch war. Kaum hatte sie sich auf der Bettkante abgestützt, als Bonzo wie ein Gebirge vor ihr stand und auf sie niederblickte.
Keine Chance!
Glenda hob die Schultern. Eine resignierende Geste, und sie war nicht gespielt. Der Stumme ließ es zu, daß sie sich hinstellte und durch ihre Haare fuhr. Sie mußte auch überlegen, was sie sagen wollte, das Richtige fiel ihr nicht ein, bis sie sich an die Marquesa erinnerte.
»Ich will deine Herrin sprechen!«
Bonzo grinste nur.
»Laß mich durch, verdammt!«
»Nicht nötig, Mädchen!«
Glenda hatte in all ihrer Aufregung nicht bemerkt, daß die Tür aufgestoßen worden war und die Marquesa auf der Schwelle stand.
Sie trug noch immer die gleiche Kleidung wie beim Essen, nur die Lippen waren nachgeschminkt worden und zu einem nach unten gezogenen Bette-Davies-Lächeln verkrampft.
So ähnlich wie diese bekannte Schauspielerin sah sie auch aus.
Und sie genoß ihren Triumph.
Dabei brauchte sie nicht zu sprechen, auch nicht ihr Gesicht zu verändern, sie stand einfach nur da und schaute. Glenda spürte etwas von der Strömung, die unsichtbar von dieser Frau abstrahlte. Es war das Gefühl, einen Hauch des Bösen zu bekommen, der über ihre Haut strich und sie frösteln ließ.
Die Marquesa Frascetti
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