0386 - Die Hölle war schon angeheizt
erinnerst dich an die Geschichte mit dem Schneideretikett in dem Mantel? Spitz deine Ohren noch ein bisschen besser: Sie flog vorige Woche von hier nach London!«
»He!« Phil kraulte sich hinter dem Ohr. Das musste er erst verdauen. »Wo hast du das gelesen?«
»Die Passagierlisten der PAA kannst du im Büro der Gesellschaft einsehen.«
Die Kneipe, in der wir saßen, war so eine Art Familienbetrieb. Der Wirt, der in einer fleckigen weißen Schürze hinter der Theke stand, hielt den Betrieb in Gang. Aber als eine neue Ladung Gäste auftauchte, wurde es ihm zu viel. Er beugte sich über das Fenster zur Küche und rief Verstärkung heran. Das Mädchen, das zur Unterstützung auftauchte, kannte ich. Ich bestellte für uns beide neuen Whisky, indem ich zwei Finger zur Theke hin hob.
»Hallo, Miss Rosie«, sagte ich, als sie die Gläser an unseren Tisch brachte. Die Überraschung war mir vollkommen gelungen. »Wir kommen eben aus der Tavern. Lewie Birth hat sich bitter über Sie beklagt. Sie sind ihm davongelaufen, ohne einen Ton zu sagen.«
»Ich arbeite hier in der Küche, Agent Cotton. Dabei verdiene ich ein bisschen mehr als bei meinem Job in der Tavern. Ich muss meine Mutter unterstützen.«
»Sie war heute Morgen nicht besonders gut auf Sie zu sprechen. Erzählen Sie mir also keine Märchen. Warum haben Sie Lewie Birth im Stich gelassen?«
»Ich möchte nicht gern darüber sprechen. Aber damit Sie mir glauben, will ich Ihnen die Wahrheit sagen: Mr. Birth wurde zudringlich!«
Der Wirt klopfte ungeduldig mit den Knöcheln auf die Theke. Rosie hielt sich zu lange bei uns auf, und das passte ihm nicht.
»Bleiben Sie noch einen Augenblick da«, sagte ich und ging zu dem alten Mann hinüber.
»Ich hab mir doch gleich gedacht, dass da was nicht stimmt«, sagte er, nachdem er meinen Ausweis mit beiden Händen vor die Brille gehalten hatte.
»Vielleicht irren Sie sich«, beschwichtigte ich. Ich wollte Rosie nicht um ihre neue Stellung bringen. »Wir wollen Miss Steffen nur als Zeugin vernehmen.«
»Ich habe Ihrem Chef gesagt, wir brauchten Sie als Zeugin«, erklärte ich, nachdem ich an den Tisch zurückgekehrt war. Sie atmete erleichtert auf.
»Ich habe Angst«, erklärte Rosie unumwunden.
»Sie haben auch keine Angst gehabt, einen teuren Pelzmantel als Geschenk anzunehmen, Miss Steffen!«
»Ich musste ihn nehmen.«
»Von wem haben Sie den Mantel, Rosie?«
»Lower. Ich habe ihm einen Gefallen getan, und er wollte sich erkenntlich zeigen.«
»Der Gefallen war ihm immerhin ein paar Hundert Dollar wert. So klein kann er also nicht gewesen sein. Was war es?«
Sie begann zu weinen. Aber ich durfte nicht locker lassen.
»Es dreht sich um etwas, was in der Mordnacht geschah, nicht wahr?«
»Ja, Agent Cotton. Ich ging gerade hinaus auf den hinteren Gang, als Lower mir entgegenkam. Er sagte, er sei auf der Toilette gewesen und hätte auf der Straße einen Schuss gehört. Vielleicht sei auf jemanden geschossen worden, ünd dann würde die Polizei auch im Lokal nachfragen. Er versprach mir einen Pelzmantel, wenn ich den Mund darüber halten würde, dass ich ihn im Gang getroffen hätte. Er meinte, ich würde ihm nur einen Haufen Unannehmlichkeiten an den Hals hängen und die Polizei unnötig verwirren.«
Sie schluckte.
»Ich wollte bestimmt nichts Unrechtes tun«, heulte sie los. »Da war doch der Mantel. Ich könnte ihn mir nie kaufen. Und mir schenkt niemand was! Ich habe immer für die paar Fetzen arbeiten müssen, die ich anhabe. Und meine Mutter… Ich werde Lower den Mantel zurückschicken!«
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie uns wichtige Informationen verschwiegen haben. Den Pelzmantel behalten Sie einstweilen. Sie sagen auch Rex Lower kein Wort von unserer Unterhaltung. Stehen Sie noch mit ihm in Verbindung?«
»Ich habe ihn seit vorgestern Abend nicht mehr gesehen. Ich war auch nicht mehr zu Hause. Meine Mutter hätte mir die Seele aus dem Leib gefragt und mir wegen des Mantels Vorwürfe gemacht.«
»Sie hatten Angst, Lower könnte in Ihrer Wohnung auftauchen«, stellte ich fest. »Die Geschichte kam Ihnen von Anfang an spanisch vor. Aber sie sahen nur den Pelzmantel und haben uns deshalb hinters Licht geführt.«
»Haben Sie Lower hinausgehen sehen?«, fragte Phil.
Sie verneinte. Ich bestellte sie für den nächsten Vormittag ins Office.
»Gute Idee von mir, noch einen Whisky zu trinken«, behauptete Phil, als wir wieder im Jaguar saßen.
***
Rex Lower kam die ganze Nacht nicht
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