0388 - Der Dämonensarg
nicht angebracht, denn hier herrschte eine völlig andere Vegetation, aber stickig war es schon unter dem Dach der Bäume, wo die Luft stand, die Insekten tanzten und wir Mühe hatten, richtig zu Atem zu kommen.
Tom Jones hatte die Führung übernommen. Er bewegte sich so sicher, daß ich davon ausgehen konnte, einen Mann vor mir zu haben, der auch den Wald kannte, und nicht nur, wie sein Beruf verlangte, das Meer.
Pfade entdeckten wir nicht. Wir mußten schon schaufeln, wenn wir unseren Weg freihaben wollten. Wir gerieten in ein Gelände, in dem die Bäume nicht mehr so dicht nebeneinander wuchsen und sich zahlreiche lichte Stellen zeigten.
Von Geistern sah ich nichts, von einem Pfad ebenfalls nichts, und ich fragte mich, weshalb der Weg Geisterpfad genannt wurde. Vor uns breitete sich eine Mulde aus. Sie war ziemlich groß, wirkte wie eine Schüssel mit relativ steil ansteigenden Rändern.
Tom kletterte in die Mulde hinein, ich folgte ihm, und Suko bildete den Schluß.
In der Mitte blieb der Fischer stehen. Seine Schuhe versanken im alten Laub. »Seht ihr den Eingang?« fragte er.
Wir blickten hin und erkannten in der Muldenschräge eine Höhle, durch die sich auch ein Mensch zwängen konnte, wenn er sich sehr schmal machte.
»Was ist damit?« fragte ich.
»Hier soll ein Einsiedler gehaust haben, der Menschen köpfte, wenn es ihm in den Sinn kam.«
»Hat er das tatsächlich getan?«
»Schau in die Höhle hinein.«
»Verzichte.«
Tom erklärte weiter. »Die Köpfe hat er genommen und in einen nicht weit entfernten Tümpel geworfen. Das war ein regelrechtes Schwein, kann ich euch sagen.«
»Kommen wir auch an diesem Tümpel vorbei?« fragte Suko.
»Ja.«
Ich wollte etwas anderes wissen. »Wie ist dieser Köhler eigentlich ums Leben gekommen?«
»Man hat ihn aufgestöbert, in Ketten gelegt, in seine Höhle gesteckt und verhungern lassen. Befreien konnte er sich nicht. Irgendwann hat man seine Knochen herausgeschafft.«
Die alten Geschichten konnten zwar sehr gruselig sein, mich interessierten sie nicht so sehr. Für mich war es wichtig, den Dämonenschrein zu finden.
Das sagte ich Tom zum wiederholten Mal.
Er hob nur die Schultern. »Am Waldrand endet auch der Geisterpfad. Da muß es irgendwo sein. Den genauen Ort kann ich euch nicht beschreiben.«
Wir verließen die Mulde. Tom stieg wieder voran. Ich hatte während des Gangs durch den Wald sehr stark auf mein Kreuz geachtet.
Nichts war mit ihm passiert, niemand hatte versucht, durch das Kreuz mit mir in Kontakt zu treten.
Und doch ging ich davon aus, daß uns dämonische Wesen nicht aus den Augen lassen würden. Wir hatten unterwegs einige Orte passiert, wo vor Jahren das Grauen gelebt hatte. Unter anderem eine verfallene Hütte, die einer Hexe gehörte, und auch einen Hochsitz hatte ich gesehen, auf dem jemand ermordet worden war.
Geschichten und Histörchen.
Ob sie den Tatsachen entsprachen, konnte ich nicht nachprüfen.
Tatsache aber war der zweite magische Ansturm auf mich und mein Kreuz. Plötzlich spürte ich das Brennen, blieb sofort stehen, und Suko mußte ausweichen, um nicht gegen mich zu laufen.
Auch Tom Jones hatte etwas bemerkt. Er stand still und drehte nur den Kopf. »Was ist denn?«
Ich gab keine Antwort. Meinen Körper hatte ich auf Konzentration geschaltet. Sehr gespannt blieb ich auf dem Fleck stehen, bewegte nur die Augen, denn die Gefahr war vorhanden, und ich wollte sie unbedingt frühzeitig genug erkennen.
Jenseits der von uns durchquerten Mulde war das Gelände wieder baumreicher geworden. Sehr dicht standen die hohen Bäume zusammen. Die Zweige berührten sich und bildeten ineinander verschlungene Dächer. Ab und zu tupften ein paar warme Sonnenstrahlen gegen unseren Nacken.
Dann wurde es dunkler.
Keine natürliche Dunkelheit, wie sie die Dämmerung oder die Nacht brachten, nein, diese hier war anders. An mehreren Stellen gleichzeitig quoll sie regelrecht auf, und als wir hinschauten, sahen wir auch, daß es schwarze Wolken waren, die zwischen den Bäumen lauerten.
Drei insgesamt!
Dicht und dunkel, so wie Tinte. Nicht ein Lichtstrahl drang durch.
Schwärzere Schatten gab es nicht.
»Was ist das?« hauchte Tom Jones.
»Eine dämonische Attacke.«
»Und von wem?«
»Ich habe noch keine Ahnung, rechne aber damit, daß es der Spuk sein kann.«
»Dreigeteilt?« fragte Suko.
»Bei ihm ist alles möglich. Er wird doch sicherlich versuchen zu verhindern, daß wir an seine Reliquie gelangen.«
»Klar.«
Die
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