0389 - Der Ghoul und seine Geishas
tot auf dem Boden. Nichts an ihr wies darauf hin, daß sie in den folgenden Sekunden erwachen würde, um mir zur Seite stehen zu können.
Im Gang nahm der Gestank zu. Atemberaubend wehte er mir entgegen, ich hatte das Gefühl, von einem Nebel getroffen und eingehüllt zu sein, so furchtbar war alles.
Wir schritten der Helligkeit entgegen. An den Füßen und unter den Armen umklammerten mich die harten Finger der vier Frauen.
Ich wunderte mich darüber, wie fest sie zupacken konnten.
Wir verließen den Gang.
Und dann drehten sie mich plötzlich so herum, daß ich in den Raum blicken konnte, der vor uns lag.
Er war ziemlich groß und leer. Die Wände sahen mir unnatürlich dünn und durchlässig aus. Typisch japanisch, wo Innenmauern oft aus dünnem Holz oder sogar aufgespanntem Pergament gefertigt waren.
Hinter den Wänden brannten Lichter, deren Schein auch durchdrang und das Bassin in der Mitte des Raumes erreichte, in dem eine dunklere Flüssigkeit schwappte.
Sie mußte eine grünliche Farbe haben, so genau war das für mich nicht zu erkennen. Dafür sah ich das andere um so besser.
Zwei hohe, schleimige Arme schoben sich aus der ebenfalls schleimig wirkenden Flüssigkeit. Wenn das der Ghoul war – und daran bestand kein Zweifel –, hatte ich es mit einem gewaltigen Monstrum zu tun.
Meine Chancen sanken noch mehr.
»Das ist er!« flüsterten die Geishas. »Das ist der Ghoul, der auf dich wartet und dich verschlingen wird, nachdem du in der Brühe erstickt bist…«
***
Suko starrte durch das Gitter nach unten und sah vier Frauen, die seinen Freund John Sinclair umklammert hielten, um ihn in die Arme des im Bassin lauernden Monstrums zu schleudern.
Er wollte und mußte helfen.
Aber wie?
Das Gitter saß fest im Boden. Selbst Herkules hätte mit ihm seine Schwierigkeiten gehabt, das sah Suko völlig ein. Er unternahm noch den Versuch, es aus der Fassung zu reißen, ohne Erfolg.
Inzwischen liefen die vier Geishas mit John Sinclair weiter. Sie hielten ihn an Schultern und Beinen. Ihr Ziel war das Bassin, aus dem die beiden Schleimarme ragten, und Suko brauchte nicht erst groß nachzudenken, was sie mit ihm vorhatten.
Er schätzte die Tiefe ab.
Allzu weit war er nicht entfernt. Nur konnte er nicht springen, da das Gitter dazwischen saß. Demnach sah sich Suko gezwungen, einen normalen Weg zu finden, den über eine Treppe.
Hoffentlich reichte die Zeit.
Mit einem gewaltigen Sprung setzte er über das Gitter hinweg, lief einige Yards weiter, erreichte eine Tür, zog sie auf und suchte weitere Stufen, denn die Treppe lief in einer normalen Führung nicht mehr weiter. Suko gelangte in einen kleinen Raum, in dem sich keine Einrichtung befand. Dafür sah er eine Schiebetür. Sie wollte er noch aufdrücken, bevor er sich in eine andere Richtung wandte.
Die rechte Hälfte schleuderte er weg. Glatter Parkettboden breitete sich vor ihm aus, der sogar an der Decke entlanglief. Schuld daran war der große Spiegel unter der Decke.
Er blieb nicht der einzige. Nach zwei Schritten blieb Suko stehen, da er sich einem wahren Spiegellabyrinth gegenübersah. An allen Wänden standen die Spiegel vor wie kleine, spitzwinklig zu laufende Mauerkanten. Und jeder Spiegel besaß zwei Hälften, die innerhalb eines Winkels von fast 90 Grad aufeinander zuliefen und einen Gegenstand in zahlreichen Erscheinungsformen wiedergaben, denn die Flächen der Spiegel waren nicht glatt, sondern konvex oder konkav gewölbt.
Zerrspiegel also…
Suko sah sich mal dünn, auch dick, dann wieder lang und in einem anderen Spiegel wie eine breite Qualle.
Er sah auch den Japaner.
Wo Hito Tawashi genau stand, war nicht zu erkennen. Suko sah den Mann, der ihn ebenfalls sehen mußte, und er erkannte, daß der dürre Japaner mit einer Maschinenpistole bewaffnet war, um deren Abzug sich ein langer Zeigefinger krümmte.
Tawashi hatte sich umgezogen. Er trug ein schwarzes Gewand, das seinem Körper eine dreieckige Form gab. Auf der Vorderseite des Stoffs glänzte wie angestrichen das gelbe Rund der Sonne.
Tawashi kicherte.
Für Suko eine Warnung.
Er warf sich zu Boden, denn im gleichen Augenblick hämmerte die Maschinenpistole los…
***
Wir näherten uns immer mehr dem verdammten Bassin!
Für mich wurde die Lage allmählich kritisch. Noch hatte ich den Körper des Ghouls nicht gesehen, er befand sich unter der Schleimoberfläche, aber ich konnte mir vorstellen, daß er ein gewaltiges Maul besaß. Es mußte einfach zu seinen Armen
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