039 - Der Griff aus dem Nichts
Dorothy erschien. Sie war blutbesudelt. Ihre Rechte hielt immer noch das lange Küchenmesser umkrampft, von dessen Klinge das Blut tropfte.
Dorothy starrte ihn aus großen, blicklosen Augen an.
„Ich konnte nicht mehr anders“, sagte sie mir entrückter Stimme. „Ich habe es ganz einfach nicht mehr länger ertragen.“
„Schon gut“, sagte Dorian mitfühlend. „Sie können alles vergessen. Es ist alles vorbei. Ihre Qualen sind zu Ende.“
Er geleitete sie auf das Badezimmer zu. Sie ließ willenlos alles mit sich geschehen.
„Mir blieb keine andere Wahl, Dorian. Ich mußte es tun“, murmelte sie.
„Ich weiß, Dorothy. Aber vergessen Sie das jetzt alles. Sie sollten weder davon sprechen noch daran denken.“
Sie schüttelte kraftlos den Kopf. „Das kann ich nicht. Ich kann nicht vergessen. Und ich kann es nicht mehr für mich behalten. Ich muß jetzt darüber reden.“
Er war ihr dabei behilflich, die blutdurchtränkten Kleider abzustreifen, und blieb im Badezimmer, während sie sich duschte. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte und mit dem eng um ihren Körper geschlungenen Bademantel zum Vorschein kam, führte er sie zu ihrem Bett.
Sie stand immer noch unter der Schockwirkung. Sie merkte nicht, daß sie sich mitsamt dem Bademantel ins Bett legte.
„Ich fühle mich so frei, Dorian“, sagte sie mit wesenloser Stimme. Ihre Hand griff nach der seinen und drückte sie. „Mir ist, als wäre ich aus einem Alptraum erwacht. Dieser Alptraum hatte eigentlich schon damit begonnen, daß ich Robert heiratete.“
Dorian zuckte überrascht zusammen, aber er unterbrach sie nicht.
„Das war vor einem Jahr“, fuhr sie fort. „Damals war der Name Dr. Robert Fuller in Beverly Hills bereits zu einem Begriff geworden. Ich weiß nicht mehr genau, was in mich gefahren ist, aber wahrscheinlich war es die Sucht nach Publicity, die mich dazu verleitete, den um dreizehn Jahre jüngeren Robert zu heiraten. Ich hoffte, durch die Ehe mit ihm wieder ins Gespräch zu kommen. Aber es war die Hölle. Schon in der ersten Nacht wurde er mir unheimlich. Ich erkannte, daß er sadistisch, pervers und durch und durch verdorben war. Trotzdem versuchte ich, nach außen den Anschein zu wahren. Dann wurde ich schwanger. Ich wollte sein Kind nicht haben und verlangte, er solle es mir nehmen. Er weigerte sich. Er wollte unbedingt einen Sohn, der ein Ebenbild von ihm war. Und er war so sicher, daß es ein Sohn werden würde. Es war direkt unheimlich. Ich bin überzeugt, daß es wirklich ein Sohn geworden wäre, aber ich wollte ihn nicht haben. Deshalb ging ich zu Carl – zu Dr. Hopper und ließ von ihm die Schwangerschaftsunterbrechung durchführen. Kurz darauf waren Robert und ich geschieden. Ich erinnere mich noch genau daran, wie er mich verfluchte und schwor, daß er sich noch furchtbar an mir und Carl rächen würde.“
Ihre Stimme war immer leiser geworden. Dorian glaubte schon, daß sie eingeschlafen sei. Aber dann öffnete sie wieder die Augen und griff nach seiner Hand. Sie zitterte, als sie fortfuhr. „Ich glaubte schon, daß doch noch alles gut werden würde, als Robert plötzlich verschwand. Es hieß, daß er nach Europa ausgewandert sei. Anfangs glaubte ich dieses Gerücht nicht. Ich lebte in ständiger Angst. Aber mit der Zeit vergaß ich ihn. Und dann tauchte vor einigen Tagen dieser Riesenfötus in meinem Schlafzimmer auf. Ich wußte sofort, daß Robert dahintersteckte. Ich wußte, daß er dieses Scheusal erschaffen hatte und es mir schickte, um mich an seinen ungeborenen Sohn zu erinnern. Robert war zurückgekehrt, und er ließ mich gerade in dem Moment seine Rache spüren, wo sich mir die Chance auf ein Comeback bot. Ich – fuhr ins Sanatorium hinaus, aber der Verwalter verleugnete Robert. Doch ich wußte, daß er log. Denn ich bin ganz sicher, daß Robert zurückgekommen ist.“
Sie war eingeschlafen. Dorian wartete noch einige Minuten, dann erhob er sich und verließ das Schlafzimmer. Er ließ das Licht brennen und die Tür offen und ging ins Erdgeschoß hinunter. Dabei vermied er es, zu der Tür zu blicken, hinter der das Blutbad stattgefunden hatte.
Dorian war nun entschlossen, zu handeln. Die einzige Möglichkeit, Fuller beizukommen, war, in die Höhle des Löwen vorzudringen. Doch allein war er machtlos. Vielleicht konnte er unbemerkt ins Sanatorium gelangen, aber dort hatte er nicht nur Fuller zum Gegner, sondern auch dessen kraftstrotzende Übermenschen. Dorian war überzeugt, daß sich Fuller ein ganzes
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