039 - Der schwarze Abt
Gott, wie gewöhnlich!«
»Ich habe mit Ihnen über Gine zu sprechen«, schnitt Gilder weitere Kundgebungen der Entrüstung ab. »Glauben Sie nicht, daß ich ihn schlechtmachen will. Es ist nur so, daß ich mich jetzt, nachdem wir uns getrennt haben, nicht mehr verpflichtet fühle, ihn in Schutz zu nehmen und mich zwischen ihn und seine Schulden zu stellen, wie ich es bisher tat. Sie kennen ihn ebensogut wie ich - seine maßlose Eitelkeit, seine Unaufrichtigkeit. Sie wissen, wie unzuverlässig er ist, wie er sich aus jeder Zusage, die er macht, herauszuwinden versteht, selbst wenn man sie schwarz auf weiß besitzt.«
Er hatte sie beim Sprechen nicht aus den Augen gelassen und sah nun, wie sie die Stirn runzelte.
»Wirklich?« fragte sie kühl. »Ich verstehe nicht, wie sich jemand, ob Gentleman oder nicht, von einer schriftlich festgelegten Verpflichtung lösen kann.«
»Dann kennen Sie Arthur Gine doch nicht so gut, wie ich ihn kenne! Ich bin überzeugt, daß Gine, selbst wenn man ihn aus einer Kanone abfeuerte, einen Zickzackkurs einschlagen würde. Doch das ist nicht der springende Punkt - ich kam nicht hierher, um ihn anzuschwärzen oder in Ihren Augen herabzusetzen, vielmehr ... Wie verhält es sich eigentlich mit dem Chelfordschatz?«
Im Nu saß sie steif und kerzengerade da.
»Sie wissen davon?«
»Allerdings. Sie wollen ihm helfen, das Gold zu finden, wofür er . « Er machte eine Pause, obschon er über die Art von Arthur Gines Gegenleistung keinen Zweifel hegte. Eine junge Dame wie Mary Wenner, die um jeden Preis aus ihrem Milieu herauswollte, konnte nur eine einzige Forderung gestellt haben: »Wofür er Ihnen die Ehe versprach«, ergänzte er endlich.
Ihr verlegenes Gesicht bewies ihm, daß seine Menschenkenntnis ihn nicht im Stich gelassen hatte.
»Hoffentlich nehmen Sie nicht an, Mr. Gilder«, stammelte sie ein wenig kleinlaut, »daß ich mich ihm an den Hals geworfen habe? Das würde ich selbst beim besten Mann der Welt nicht tun! Im übrigen ist Arthur Gine Gentleman genug, um sein Versprechen zu halten.«
»Und wann soll die Heirat stattfinden? Doch wohl erst nach Entdeckung des Schatzes, vermute ich. Darf ich fragen, welches Pfand er Ihnen gegeben hat?«
»Sein Ehrenwort«, antwortete Mary Wenner.
»Hm! Das ist alles? Ich frage in Ihrem Interesse. Sie sind eine junge Dame, die ihr Brot allein verdient und vielleicht niemand hat, der sich selbstlos um sie kümmert.«
Mr. Gilder spürte, daß er sich auf dem richtigen Weg befand.
»Ich habe auch ... Einen Augenblick, ich kann Ihnen außerdem etwas Schriftliches zeigen.« Sie holte aus dem anstoßenden Schlafzimmer ihre Handtasche und suchte aus einem Wust von allerlei Sächelchen einen Zettel hervor. Gilder las ihn, auch die von Gines Hand vorgenommene Änderung.
»Es ist ein vollkommen wertloses Papier«, versicherte er, wobei Mary Wenners Gesicht größte Bestürzung zeigte. »Bei dieser Erklärung handelt es sich, juristisch ausgedrückt, um ein unter Zwang gegebenes Versprechen. Er kann jederzeit behaupten, daß er diese Verpflichtung eingehen mußte, um von Ihnen für seinen Klienten wertvolle Informationen zu erlangen.«
Miss Wenner biß sich nervös auf die Lippe.
»Was soll ich tun, Mr. Gilder? Raten Sie mir, Sie sind Jurist. Können Sie nicht ein Dokument aufsetzen, das ihn absolut bindet? Natürlich bin ich viel zu sehr Dame, um mich einem Mann gegen seinen Willen aufzuzwingen, doch .«
»Ein solches Dokument könnte ich zwar abfassen, nur bezweifle ich, ob es Ihnen wirklich helfen würde. Trauen Sie ihm nicht?«
»Aber wem soll ich trauen? Die Männer sind so voll Trug, Mr. Gilder, und die jungen sind die schlimmsten! Mir scheint, ein Mann von fünfundvierzig -« (sie nahm ein unsichtbares Krümchen von ihrem Kleid) »oder fünfzig wäre das Richtige. Arthur ist noch so unbeherrscht. Außer Ihnen würde ich es ja niemandem erzählen, aber er versuchte mich unzählige Male zu küssen, und einmal in Fossaway wollte er sogar ...«
»Ich verstehe, ich verstehe«, beeilte sich Gilder zu beteuern. »Nun hören Sie mich an, Miss Wenner. Sie sind ein kluger Mensch, und deshalb kann ich mit Ihnen sprechen wie mit wenig anderen ...« Diese dick aufgetragene Schmeichelei, die sogar intelligenten Menschen gegenüber selten ihre Wirkung verfehlt, veranlaßte auch Mary Wenner, den Ausführungen ihres Gastes gespannt zu lauschen. »Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen verriete, daß Gine schon jetzt versucht, Ihnen
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