039 - Vor der Tür stand Frankenstein
ungefähr einer
Stunde. Mein Bewacher entfernte sich. Diese Zeit nutzte ich, um meine letzten
Kräfte zu sammeln und konnte die Fesseln sprengen. Dann kehrte der Unheimliche
zurück. Ich hatte keine Möglichkeit, mich zur Wehr zu setzen. Mit bloßen Händen
wäre es Selbstmord gewesen, wie du nun weißt. Ich floh und stieß auf dich.« Der
Russe atmete auf. »Am besten wird es sein, wenn ich dir das Geheimquartier der
Bande zeige. Irgendetwas stört mich bei der ganzen Angelegenheit.«
»Mich auch«, bemerkte Larry Brent. »Es sieht so aus, als wäre der Kranke
eine Art Versuchsobjekt gewesen. Fin-Ma-Kho scheint genau gewusst zu haben, was
er wollte.«
X-RAY-7 nickte. »Die Hautkrankheit, die durch einen unbekannten Pilz
ausgelöst wird, verändert auch die Psyche des Infizierten. Das ist eigenartig.
Die Pilze scheinen sich nicht nur auf der Hautoberfläche anzusiedeln, sondern
sie müssen auch in das Gehirn eindringen. Ich habe niemals etwas Ähnliches
zuvor gesehen.«
Die beiden PSA-Agenten gingen bis an den klobigen Altar. Eine Nische
verbarg die Schiebetür, die sich kaum von der Wand abhob. Dahinter folgte eine
schmale, geschwungene, nach unten führende Treppe, die in einen kahlen
Kellerraum führte, in dem eine altmodische Folterbank, ein paar einfache
Rohrsessel und eine harte Liege standen. Bemerkenswert war der Spiegel, der
fast ein Drittel der einen Wand einnahm.
Ein leises, kaum wahrnehmbares Geräusch ließ Larry Brent aufhorchen und
sofort reagieren. Er warf sich zu Boden und riss den Russen mit. In dem
Augenblick zersplitterte der Spiegel. Sirrend pfiff die Kugel über den Kopf von
X-RAY-7 hinweg und bohrte sich in die Kalkwand. X-RAY-3 drückte die Smith &
Wesson Laserwaffe ab. Zwei, drei nadelfeine Strahlen zuckten lautlos auf und
durchbohrten die scharfkantigen Spiegelscherben an verschiedenen Stellen. Ein
vierter, gezielter Strahl ließ die Birne der armseligen Deckenleuchte
zerspringen. Völlige Finsternis hüllte den Raum ein.
Geistesgegenwärtig rollte sich Iwan hinter die Folterbank, während Larry
aufsprang und sich direkt neben den zerstörten Spiegel stellte. Erfühlte einen
Mauervorsprung, der die rechteckige, mannsgroße Öffnung einrahmte und
registrierte mit wachen Sinnen eine Bewegung in der Dunkelheit vor sich,
vernahm das unterdrückte Stöhnen eines zweiten Mannes, der offensichtlich am
Boden lag.
Schnell berechnete Larry seine Chancen und entschloss sich zu einem
Angriff, der ihn nicht in Gefahr brachte, wohl aber seine verborgenen Gegner
aus der Reserve locken musste. Er wollte wissen, mit wem er es zu tun hatte.
Mit einem kraftvollen Faustschlag zerschmetterte er die letzten Reste der
Spiegelwand. Klirrend zersprang das Glas, die Scherben zersplitterten auf dem
Betonfußboden.
Die Mündungsflamme einer Pistole wurde sichtbar.
Donnernd hallte der Schuss durch das Kellergewölbe. Doch die Kugel
passierte nicht die Wandöffnung. Der Schuss war auf die am Boden liegende
Gestalt abgefeuert worden.
Hastige Schritte entfernten sich, eine schwere Tür schlug ins Schloss.
Larry ließ die Taschenlampe aufleuchten. Der helle Strahl erfasste die leblose
Gestalt eines gepflegt gekleideten Chinesen am Boden. Mit einem Blick
überblickte X-RAY-3, dass der Mann auf der Erde durch den Laserstrahl eine
Verletzung im rechten Oberschenkel hatte. Die Kugel des unbekannten Schützen
aber hatte ihn genau in das Herz getroffen.
Larry hastete zu der schweren metallenen Tür hinüber, die einen Stollen in
dem Felsen verschloss. Ein labyrinthähnlicher Fluchtgang dehnte sich vor ihm
aus. Larry lauschte, doch nirgends ein Geräusch. Es war hoffnungslos, hier eine
Verfolgung aufzunehmen.
Iwan kroch durch die Maueröffnung. Mörtel und scharfkantige Glassplitter
rieselten zu Boden.
Im Schein der Taschenlampe untersuchten Larry und der Russe den toten
Chinesen. Er trug keine Ausweispapiere bei sich. Nichts, was auf seine Person
hinwies.
»Fin-Ma-Kho ist es nicht«, sagte Iwan rau.
»Vielleicht war es der Schütze«, entgegnete Larry. »Er legte großen Wert
darauf, dass sein Begleiter nicht mehr reden kann.« Larry Brent musste sich
eingestehen, dass die Situation verfahrener war als er glaubte. Heute hatten
sie noch gedacht, dem Ziel ganz nahe zu kommen, doch genau das Gegenbeil war
der Fall.
Als sie in den Tempelsaal zurückkehrten, erlebten sie eine weitere
Überraschung.
Der tote Geheimagent zwischen den Bankreihen und der von der Pilzkrankheit
befallene Chinese waren
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