0391 - Susans Knochenmann
nicht noch weiter verschärft haben?« fragte Zamorra nachdenklich. Er fühlte sich etwas peinlich berührt von der Szene, die sich vor seinen Augen abgespielt hatte. Er hatte nicht gewußt, daß Susan Boyd die Angelegenheit vor ihrem Freund hatte geheimhalten wollen. Erst in diesen Momenten hatte er es gefühlt, und Gryf schien es aus den Gedanken der beiden gelesen zu haben. Er mußte auch jetzt wieder oberflächlich zufassen, denn er schüttelte bedächtig den Kopf. »Sie vertragen sich doch längst wieder - aber sie verstehen sich gegenseitig nicht. Zumindest nicht in diesem Fall. Wir…«
Er verstummte und stöhnte dann heftig auf. »Da ist es wieder«, sagte er. »Nebenan!«
Im gleichen Moment glühte Zamorras Amulett auf. Die Gardinen am Fenster bewegten sich wie im Wind. Der Professor fühlte die Nähe einer unsichtbaren Macht. Diesmal bedrohte sie aber nicht ihn, griff ihn nicht an. Er verstand nicht, was geschah.
Das Wehen der Gardine ebbte wieder ab, aber das Amulett glühte nach wie vor. Er dachte daran, wie Mark Cramer wohl reagiert hätte, wenn er den grünen Schutzschirm gesehen hätte. Aber Zamorra hatte ihn wieder abgebaut, nachdem seine Hausdurchforschung beendet war und anscheinend keine unmittelbare Gefahr drohte.
Jetzt aber…
Die Tür flog auf. Cramer stürmte herein. Hinter ihm tauchte Susan Boyd auf, erregt mit den Armen rudernd. Sie versuchte, Cramer aufzuhalten. »Was ist mit dir? Was tust du?« schrie sie.
Cramer sprach nicht.
Stumm warf er sich auf Zamorra. Der Professor wurde von dem Angriff völlig überrascht. Er hatte mit vielem gerechnet, nicht aber damit, daß Cramer mit den Fäusten auf ihn losgehen würde. Als er sich zu wehren begann, hatte er bereits die ersten Schläge eingefangen. Gryf starrte Cramer fassungslos an, als könne er einfach nicht begreifen, was geschah. Susan versuchte Cramer zurückzureißen, aber er ignorierte sie einfach. Er stand wie ein fest verwurzelter, uralter Baum vor Zamorra und prügelte auf ihn ein. Zamorra fand aus seiner sitzenden Position weder einé Möglichkeit, sich wirkungsvoll zu verteidigen, noch zum Gegenangriff überzugehen. Er wollte Cramer mit einem festen Tritt von den Beinen reißen, aber irgendwie verfehlte er ihn. Ein hochkommender Kniestoß verpuffte wirkungslos. Zamorra konnte Cramers Fäuste nicht abblocken; irgendwie kam er mit seinen Abwehrbewegungen immer wieder zu spät. Dabei war er reaktionsschnell genug, und er verstand sich auf einige verschiedene Kampfsport- und Verteidigungstechniken - die er hier trotzdem nicht richtig einsetzen konnte!
Er konnte sich nicht einmal mit seinem Sessel nach hinten oder zur Seite wegkippen lassen, um dadurch Cramers Fäusten zu entgehen. Der Sessel war wie am Boden festgeschraubt.
Nicole flog heran. Sie wich einem Schlag Cramers aus, kam in seinen Rücken und faßte zu. Ihre Finger berührten eine Stelle in seinem Nacken, drückten zu - und Cramer brach wie vom Blitz gefällt bewußtlos zusammen.
Nicole wollte ihn noch auffangen, aber er stürzte zu schnell und zu schwer.
Sie betrachtete ihre Hand.
»Oh«, sagte sie. »Es funktioniert also noch. Ich dachte, ich sei aus dem Training. Um ein Haar hätte ich die Stelle verfehlt.«
Zamorra betastete sein Gesicht. Er raffte sich mühsam auf. Seine Unterlippe war aufgeplatzt und blutete, und er war sicher, daß er mehrere Blutergüsse und unzählige blaue Flecken hatte. Jeder der vielen Treffer, die Cramer hatte anbringen können, schmerzte heftig.
Das Amulett glühte nicht mehr.
Zamorra sah Gryf an, der sich jetzt langsam von der Couch erhob.
»Schau mich nicht so an«, stieß der Druide hervor. »Ich konnte nichts tun! Erst war ich zu verblüfft, und dann -wie gelähmt. Etwas saugte die Kraft aus mir heraus…«
»Wie das?« staunte Zamorra.
Nicole kümmerte sich derweil um Susan Boyd. Sie redete leise auf die junge Frau ein. Zamorra registrierte es nebenher. Er sah auf den liegenden, von Nicole durch starke Akupressur auf einen Nerv vorübergehend gelähmten Automechaniker herab, dann starrte er wieder Gryf an.
»Was zum Teufel meinst du damit?«
»Ich wollte ihn zurückreißen oder ihn betäuben«, sagte Gryf. »Aber meine Kraft floß einfach ab, ohne ihn zu erreichen. Und - er dachte nicht.«
»Hm?«
»Nein, er dachte nicht. Ich bin sicher, daß er absolut nicht weiß, was er getan hat. Jemand hat sein Gehirn abgeschaltet. Klick. Er wurde gesteuert wie eine Marionette. Aber der Steuermann, der Puppenspieler, war nicht zu
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