0393 - Der Vampir von London
es sich einzuprägen.
Immerhin war der Mörder mit dem Amulett verschwunden. Sah er darin nur ein wertvolles Schmuckstück, wie es Dandridge getan hatte, oder ging es ihm um mehr? Letzteres würde den Kreis der Verdächtigen ein wenig eingrenzen auf magisch begabte Menschen oder auf dämonische Wesenheiten.
Aber Gryf wußte es nicht. Er fühlte sich so allein wie selten.
***
Nach dem merkwürdigen Zusammenbruch auf der Themsebrücke beobachtete Terence Brody seine Frau aufmerksamer denn je. Er hatte Angst. Diese Alpträume und vor allem die jetzigen Geschehnisse mußten doch eine Ursache haben! Litt Sheila an einer Krankheit, die bisher niemand an ihr bemerkt hatte, auch er nicht? Es mußte so sein.
Sobald wir wieder zu Hause sind, werden wir deswegen zum Arzt gehen, beschloß Terence. Und wenn ich Sheila an den Haaren hinschleppen muß… und dann wird sich zeigen, ob diese Alpträume und der Ohnmachtsanfall körperlich oder geistig bedingt sind…
Wenn Sheila etwas von seinen Gedanken ahnte, sagte sie jedenfalls nichts. Sie setzte ihren Sightseeing-Trip fort, kehrten in einem Restaurant ein und ließen sich schließlich von einem der großen roten, doppelstöckigen Busse zum Stadtrand bringen, wo ihr Auto stand. Mit diesem kehrten sie zu Mrs. Cetebys Haus zurück. Sie waren froh, daß sie das Zimmer nicht aufgegeben hatten. London erwies sich als sehenswerter, als sie ursprünglich gedacht hatten. Sie würden wohl noch wenigstens zwei Tage mehr dranhängen…
Das schlechte Wetter änderte daran nichts.
Höchstens Sheilas Zustand, dachte Terence bedrückt. Er hoffte, daß Sheila durchhielt. Vielleicht hatte sie heute einen schlechten Tag gehabt, und mor-gen würde wieder alles ganz anders aussehen…
Obgleich es spät war, als sie eintrafen, wartete Mrs. Ceteby noch auf sie. »Möchten Sie nicht doch in ein anderes Zimmer…?« erkundigte sie sich. »Die Pickwells sind überraschend abgereist, so daß Zimmer 3 heute schon frei wurde…«
Sheila schüttelte den Kopf. Sie lächelte. »Danke, wir bleiben in Zimmer 4. Ich habe nicht die geringste Lust, heute abend noch umzuziehen und mich an ein anderes Zimmer zu gewöhnen.«
»Ich helfe Ihnen gern beim Tragen…«
Terence hüstelte. »Missis Ceteby, warum möchten Sie eigentlich unbedingt, daß wir aus Zimmer 4 ausziehen? Gibt’s da giftige PER- oder Asbestdämpfe, oder was? Warum haben Sie das Zimmer überhaupt erst vermietet, wenn Sie nicht möchten, daß wir darin bleiben?«
»Weil ich dringend auf das Geld angewiesen bin«, seufzte Mrs. Ceteby. Sie wand sich; es war ihr sichtlich unangenehm, diese Begründung zu liefern. »Ich bin im Moment etwas knapp, wegen einiger Renovierungen, die sein mußten… und da kommt mir jeder Gast recht. Ich kann es mir derzeit nicht leisten, jemanden fortzuschicken. Aber…«
»Nun, dann ist doch alles in Ordnung. Wir hatten einen recht aufregenden Tag in London. Gute Nacht, Missis Ceteby«, sagte Terence.
Im Zimmer ließ sich Sheila auf die Bettkante sinken. »So grob hättest du sie auch nicht abfertigen müssen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Sie meint es doch nur gut.«
»Vielleicht. Aber langsam kommt es mir komisch vor, daß sie uns aus diesem Zimmer haben will. Sie rückt einfach nicht mit dem Grund heraus. Das ist doch nicht normal. Wenn mit diesem Zimmer etwas nicht stimmt, dann hätte sie es von Anfang an nicht zu vermieten brauchen. Mit dem Geld-Argument kann sie mir nicht kommen. Auf die zehn Pfund pro Nacht mehr oder weniger wird es nun doch wirklich nicht mehr ankommen.«
Er war ernsthaft verärgert. Wenn die Wirtin morgen wieder damit anfing, wollte er sie zur Rede stellen.
Andererseits hatte er unten im Hausflur nicht übertrieben. Er fühlte sich tatsächlich müde. Und Sheila ging es nicht anders. Sie waren den ganzen Tag über auf den Beinen gewesen, hatten London zu Fuß »erobert«. Entsprechend erschöpft waren sie jetzt. Hinzu kamen die vielen Eindrücke, die verarbeitet werden mußten. Terence streckte sich auf dem Bett aus. Schon nach ein paar Minuten war er eingeschlafen, obgleich er eigentlich hatte wach bleiben wollen.
Sheila konnte nicht so schnell einschlafen, obgleich sie es im Gegensatz zu ihrem Mann doch wollte. Sie lag lange wach. Der Regen hatte aufgehört, aber das nasse Laub der Bäume rauschte und ließ immer wieder zahlreiche Tropfen abregnen. Sheila erhob sich nach einer Weile wieder und trat im Dunkeln ans Fenster. Sie schob die Vorhänge beiseite und sah nach draußen.
Der
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