0395 - Ich liebte eine Voodoo-Queen
mehr. Du befindest dich in meiner Gewalt, und das wird so bleiben. Du wirst das tun, was ich dir befehle.«
Widerspruch erntete sie nicht. Als sie mich losließ, befahl sie mir, ihr die Hand zu reichen.
Das tat ich.
»Wir werden gehen, Geisterjäger!« flüsterte sie. »Und weißt du, wohin uns der Weg führen wird?«
Ich schüttelte den Kopf und stellte fest, daß mich selbst bei dieser einfachen Bewegung Schwindel überkam.
»Wir gehen zu deiner Hinrichtungsstätte, John Sinclair. Dahin, wo du sterben wirst…«
***
Die Trommler spürten, daß etwas in der Luft lag, die Zuschauer ebenfalls, denn sie drängten sich dicht an den Bühnenrand, und auch der Ansager merkte es.
Ausgangspunkt waren einzig und allein die drei Särge auf der Bühnenmitte. Obwohl sie dort nur standen, strahlten sie etwas aus, das die meisten Menschen als Bedrohung empfanden.
Hinzu kam das Licht, das raffiniert gefiltert worden war und den größten Teil der Bühne in einen fahlgrauen Schein tauchte. Ungefähr so, als wäre gerade ein Gewitter im Anzug, wobei sich an seinen Fronten Helligkeit und Finsternis trafen und eben dieses Licht über die Bühne abstrahlten.
Ein kaltes, ein gespenstisch anmutendes Bild, das keinen unberührt ließ.
Aus dem Schatten der Bäume trat wieder der Ansager hervor. Er schlich geduckt bis an den Bühnenrand, baute sich dort auf, hielt das Mikro in der Rechten und winkte mit den Fingern seiner Linken.
»Kommt näher, wenn ihr es genauer sehen wollt. Kommt, ihr werdet den Voodoo in seiner letzten Konsequenz erleben.«
»Sind das die lebenden Leichen?« erklang eine Männerstimme aus dem Publikum.
Der Ansager blieb für einen Moment in seiner Haltung, bevor er sich hochdrückte. »Ja!« sagte er. »Ja, das sind die lebenden Leichen. Die Zombies, die sich euch bald zeigen werden.«
»Aber die wollen doch Opfer!«
Wie einstudiert klang die Frage, und der Ansager nickte heftig.
»Natürlich wollen sie Opfer. Oder glauben Sie, daß sie sich nur hier zeigen und nichts tun?«
»Wer ist das denn? Wir?«
Nach dieser erneuten Frage entstand eine erste Unruhe unter den Zuschauern.
Der Ansager hob beide Hände. Er schüttelte den Kopf. »Da kann ich Sie beruhigen. Sie werden von den Zombies wohl nicht als Opfer ausersehen. Dafür gibt es einen anderen.«
»Und wen?« Es war der gleiche Frager.
»Das bleibt abzuwarten. Nur eines möchte ich Ihnen noch zeigen, Ladies and Gentlemen.« Er hob seinen Arm und schnickte so laut mit den Fingern, daß dieses Zeichen auch gehört wurde.
Von der Bühnendecke her fiel wieder ein heller Lichtbalken in die Düsternis hinein.
Er traf ein Ziel und ließ es nicht mehr los!
Niemand hatte bisher auf den Pfahl geachtet, der hinter den Särgen stand und sich wie das Symbol des Todes vor dem weiten Hintergrund der Bühne abhob.
Erst jetzt, wo er in das fahle Licht getaucht war, erkannten die Zuschauer diesen Totempfahl, der noch blank und bloß vor ihnen stand. Keiner war daran festgebunden worden.
Der Ansager schlich an den Särgen vorbei. Er baute sich rechts des Pfahls auf. »Das ist er. Daran wird das Opfer gebunden, auf das unsere drei Zombies bereits warten.«
»Liegen sie noch in den Särgen?« fragte eine Frau mit ängstlicher Stimme.
Der Ansager lachte. Mit einer Hand deutete er auf den ersten Sarg. »Soll ich sie herauslassen?«
»Nein!« kreischte die Frau. »Um Himmels willen. Sind Sie wahnsinnig? Das wäre furchtbar.«
»Sie werden es aber erleben, Madam.«
Wieder meldete sich der Frager. »Wahrscheinlich ist es so, daß Sie die Särge öffnen und die Marionetten herausholen. Ich kenne so Spielchen. Voodoo ist ja ›in‹.«
»Lassen Sie sich überraschen, Sir.« Der Ansager hatte den Satz in einem säuselnden und wissenden Tonfall gesprochen und hinterließ dadurch bei einigen Zuschauern Unsicherheit.
Es wurde still.
Niemand hatte dazu einen Befehl gegeben, doch jeder schien zu spüren, daß ein gesprochenes Wort fehl am Platze war, denn auch die Trommler saßen wie erstarrt vor ihren Instrumenten.
Sekunden vergingen. Das Schweigen veränderte sich zu einer drücken- den Last, bis plötzlich die schweren Schritte aufklangen und aus dem Hintergrund zwei Personen die Bühne betraten. Ein Mann und eine Frau!
***
Der Mann war ich!
Wie ein kleiner Hund hatte ich mich aus dem prächtig ausstaffierten Raum führen lassen. Wir waren durch Gänge geschritten, in denen ich die Orientierung verloren hatte. Das heißt, ich hatte sie eigentlich nie besessen,
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