0395 - Luzifers Paradies
geworden…«
War es ein Wunder? Teri mußte an jenen Sintram denken, der den Nachtmahr zu Sibylle Leitner geschickt hatte! »… und nicht einmal, wenn Sintram mir tonnenweise Gold und Edelsteine gibt, werde ich hierher zurückkehren…«
»Teri, was ist mit dir? Bist du krank?«
Die Druidin schüttelte den Kopf. »Nein… nein, Sibylle. Es ist nichts. Mir sind nur ein paar Gedanken gekommen. Aber lassen wir es. Diese Sage ist ja ganz nett, aber wenn ich mich recht entsinne, gibt es da noch andere Versionen…«
»Ja, zwei verschiedene wengistens«, sagte Sibylle. »In einer entpuppt sich der edle Recke Dietleib später als Frau, als Schildmaid, die sich als Mann verkleidete… na ja, das alles ist lange her, und das einzige, was einigermaßen korrekt sein dürfte, ist, daß es diesen Gotenkönig Theoderich gegeben hat. Alles andere wird später hinzugesponnen sein. Wo gibt’s denn noch Zwerge und Riesen, Ringe und Mäntel, die unsichtbar machen können oder Unsichtbarkeit aufheben…?«
»Ja, wo gibt es das… nicht einmal Nachtmahre gibt es, nicht wahr?« sagte Teri leise und ironisch.
»Willst du damit behaupten, daß es Wahrheit ist, was die Sage erzählt? Dann gibt es aber immer noch Wahrheiten, die sich voneinander unterscheiden. Abgesehen davon - das ist doch lange her. Selbst wenn es diesen Laurin und seine Artgenossen damals gegeben haben sollte, sind sie längst zu Staub zerfallen.«
Ja, dachte Teri. Längst zu Staub zerfallen… aber Laurin nicht, den ich im Traum gesehen habe, und auch nicht Sintraum, sein Regent…
Und da flogen draußen am Fenster zwei Raben vorbei und krächzten unheilverkündend!
***
Die Geschichte ließ Teri keine Ruhe mehr. Sie mußte das Geheimnis ergründen. Wenn Sintram Laurins Stellvertreter war, dann mußte er die Jahrhunderte überlebt haben, aber aus welchem Grund schickte er Sibylle Leitner einen Nachtmahr auf den Hals? Das mußte doch eine handfeste Bedeutung haben, Warum ausgerechnet Sibylle, warum nicht irgend eine andere Person aus der Umgebung?
Oder war sie nicht die einzige, nur daß niemand etas davon wußte, weil keiner darüber sprach? Alpträume, das war doch etwas für den Psychiater, nicht aber für Geisterjäger! Es war schon ein Wunder, daß Lukas Leitner seine Tochter nicht zur Behandlung nach Bozen geschickt hatte, sondern der wahren Ursache auf den Grund gehen ließ.
Vielleicht gab es und hatte es gegeben - noch weit mehr ähnliche Fälle in der Umgebung! Teri bedauerte, daß sie den Nachtmahr nicht mehr danach fragen konnte.
Aber Sintram konnte sie fragen!
Und den, der Laurins Regent war, fand sie in Laurins Zauberreich…
***
Am frühen Abend verließ Teri Rheken die Hofstätte wieder. Diesmal nahm sie nicht den Alfasud. Sie versetzte sich per zeitlosem Sprung auf die andere Bergseite. Sie beabsichtigte, diesen Sintram aus der Reserve zu locken. Aber sie wußte nicht, wieviel Zeit darüber vergehen würde, und sie wollte Anton Grundls Großzügigkeit, was den Wagen anging, nicht überfordern.
Teri fragte sich, wo sich der Eingang in Laurins Reich befinden mochte. Die Angaben widersprachen sich in den verschiedenen Fassungen der Sage. Einmal hieß es, der Eingang zur Höhle sei direkt im Rosengarten zu finden, eine andere Version behauptete, die Helden hatten geglaubt, der Berg des Zwerges sei irgendwo in der Nähe, aber erst am anderen Morgen kamen sie vor .ihm an. Auf einer duftenden Wiese voller Blumen sangen die Vögel, und zahme Tiere aller Art tummelten sich darauf. Wer sie sah, mußte sein Trauern vergessen.
Was davon stimmte, konnte Teri nicht beurteilen. Sie hatte auch kein Interesse daran, sich in den hohlen Berg zu begeben. Das war das Reich der Zwerge. Da hatten sie Heimspiel, und einem Zwerg, der noch lebte, obgleich er seit Jahrhunderten tot sein mußte und der Nachtmahre aussandte, um Menschenmädchen zu plagen, wollte sie so wenig Vorteile wie möglich lassen. Sie wollte versuchen, ihn aus dem Berg zu locken. Er mußte sich ihr da stellen, wo sie die Regeln bestimmte.
An ihrem Bezugspunkt, dem Karer Paß, kam sie an und sah wieder die wilde Pracht der blühenden Felsen in der untergehenden Abendsonne. Sie hatte Glück, daß das Wetter dem des gestrigen Abends entsprach. Nicht immer war das Abendlicht so günstig, daß es aus dem Felsmassiv den Rosengarten zauberte.
»Als Laurin seinen Garten verfluchte, hatte er das für alle Tageszeiten getan, nur die Abenddämmerung vergessen«, hatte Sibylle erklärt, »und deshalb
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