0396 - Mord-Marionetten
meine Ohren, das sich anhörte, als würde ein Vogel mit den Flügeln flattern. Es war kein Tier, das da aus dem Dunkel nach unten gefallen war, sondern eine Puppe, deren Kleiderstoff im Flugwind flatterte.
Sie fiel so hart auf den Altar, dass ich den Aufschlag deutlich mitbekam, und auch die zweite Puppe landete dicht neben ihr.
Noch blieben sie liegen.
Ein gespanntes Schweigen hatte sich ausgebreitet. Ich spürte noch immer das verdammte Band an der Kehle, diese Art von Minisäge, die mich blitzschnell töten konnte.
»Schau hin, Sinclair, schau hin!« Das Flüstern drang aus der Dunkelheit. Die Stimme hörte sich rau an. Moira stand unter einer ungewöhnlichen Spannung.
Die beiden Lichtlanzen fielen nach wie vor auf die ungewöhnliche Bühne aus Stein. Von den hauchdünnen Fäden wurden sie zerschnitten, und einige der Bänder begannen zu zittern und bewegten sich im nächsten Moment schneller.
Dies übertrug sich auf die Puppen.
Zuerst erhob sich die Frau.
Sie trug ein langes, weit schwingendes Gewand aus dünnem Stoff. Es schimmerte bläulich grün und stand im Kontrast zu dem langen, roten Haar, das bis auf den Rücken der Frau fiel.
Der Mann schlenkerte ebenfalls hoch. Seine Bewegungen wirkten hektisch, so abrupt. Er bewegte den Schädel, drehte sich, und gleichzeitig schwang auch die Frau herum.
Beide schauten uns an.
Und wir schauten sie an.
Ich hatte Mühe, mich nicht zu bewegen. Die beiden Puppen trugen Gesichter, die ich kannte.
Die Frau sah aus wie Moira, der Mann so wie ich!
***
»Jeder Tanz ist ein Leben!«, flüsterte die echte Moira Cargal neben mir. »Und jedes Leben endet mit dem Tod, Geisterjäger, das wirst du einsehen müssen. Schau nur hin! Sieh zu, was man auf dieser kleinen Bühne aufführt. Es ist dein Leben, unser Leben…«
Noch hatten die Puppen ihren Tanz nicht begonnen. Sie standen auf ihren kleinen Füßen, hatten uns ihre Frontseiten zugedreht und verbeugten sich.
Dabei kamen sie so hastig nach vorn, als würden sie jeden Augenblick von der Platte fallen. Bevor dies geschehen konnte, zog der für mich im Unsichtbaren sitzende Mr. Doll die beiden Puppen wieder in die Höhe, sodass sie ihre normale Stellung einnehmen konnten.
Der Tanz begann.
Ein makabres, stummes und irgendwie unheimlich wirkendes Marionettenspiel, dessen künstlerischer Wert nicht anzuzweifeln war, in seiner Folge jedoch für eine derbeiden Puppen mit dem Tod oder der Zerstörung enden sollte.
Sie schwangen mit leicht anmutenden, fließenden Bewegungen auseinander, wobei sie die Arme in die Höhe und wieder nach unten drückten, als wären es große Flügel, die sie tragen wollten.
Die rothaarige Puppe mit den Zügen der Moira Cargal drehte eine Pirouette, wobei ihr Kleid so hoch schwang, dass ich ihre schlanken Beine fast bis zu den Oberschenkeln hinauf erkennen konnte. Auch das Haar geriet in Wallung.
Der Mann, also ich, tanzte verhaltener. Er schien sich nicht wohl zu fühlen, das sah ich seinen Bewegungen an. Dicht an der seitlichen Grenze der Altarplatte war er stehen geblieben. Einen weiteren Schritt zurück, und er wäre gefallen.
Sein Körper kippte. Über ihm zitterten die Fäden im Licht des Scheinwerfers. Das Gesicht der Puppe wirkte bleich wie das einer Leiche, und dann lief ein Zucken durch die hölzerne Gestalt, die wieder nach vorn gedrückt wurde und mit schlenkernden Bewegungen über die steinerne Altarplatte huschte.
Auch die Arme schwangen vor und zurück. Im Gegensatz zu denen der weiblichen Puppe. Sie stand starr auf der Stelle und erwartete den Mann.
Moira erregte die Szene. Sie stand auch nicht mehr still, sondern drückte die Finger ihrer linken Hand in meinen Arm. »Noch lebt er!«, keuchte sie. »Noch, aber der Tod lauert schon, er wird den Mann ereilen, und du schaust zu, wie du zusammenbrichst und…«
Ihre weiteren Worte endeten in einem dumpfen Gemurmel, das ich nicht verstand, dafür aber konzentrierte ich mich auf den Fortlauf der makaber wirkenden Handlung.
Mir kam es so vor, als wäre die männliche Puppe von jeglicher Kraft verlassen worden. Sie schlich nur mehr dahin und bekam die Füße kaum vom Boden hoch.
Jeder Schritt schleifte. Dabei rutschten die Spitzen seiner Schuhe über den rauen Stein, und die Schultern sackten immer mehr ein.
Über ihn hoben und senkten sich die Fäden.
Der im Unsichtbaren sitzende Spieler und Dirigent wusste genau, was er tun musste, um die einzelnen Bewegungen nachzuvollziehen.
Dann brach der »Mann« plötzlich
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