0396 - Mord-Marionetten
bahnte sich das Finale an. Ein unheimlich wirkendes Ende, deutlich unterstrichen vom bleichen Licht des Scheinwerferkegels, der sich auf dem viereckigen Altar ausgebreitet hatte.
Die rothaarige Frauenpuppe holte zu einem letzten Schlag aus. Sie war deswegen etwas zurückgezogen worden, damit sie genügend Bewegungsfreiheit bekam.
Noch hielt sie das Messer, und dann schlug sie zu.
Halbkreisförmig angesetzt, fegte die Hand mit dem Messer auf den halbzerstörten Schädel des Mannes zu. Eine sehr schnelle Bewegung, die Moira neben mir mit einem Jubellaut begleitete, denn einen Moment später sauste die Klinge in den hölzernen Puppenkopf des Mannes. Nichts hielt den Schädel mehr auf den Schultern.
Als hätte ihm jemand zusätzlich noch einen Stoß gegeben, so flog er zur entgegengesetzten Seite weg, wobei er sich durch den Druck vom Rumpf der Puppe gelöst hatte.
Das Messer blieb im Holz stecken.
Und es verschwand auf der anderen Seite des Altars ebenso wie der männliche Puppenkopf.
Der Kampf war vorbei.
Geendet hatte er, wie von Moira Cargal vorausgesagt. Mit dem Tod des Mannes, der ich sein sollte.
Die dünnen Fäden der Frauenpuppe bewegten sich zitternd, als die Figur auf der Platte wieder zusammensackte und liegen blieb.
Das lange Kleid wurde noch einmal in die Höhe gewirbelt, bevor sich der Stoff über der Puppe zusammenfaltete.
Moira Cargal atmete zischend aus. »Das Leben und der Tod«, sagte sie wieder. »So läuft es nun mal. Und du, Geisterjäger wirst ebenfalls mit hineingezogen.«
»Heißt das, dass ich auf die gleiche Art und Weise ums Leben komme wie diese Puppe?«
»Das liegt nicht in meiner Hand. Vielleicht hat Mr. Doll etwas anderes für dich ausgesucht.«
»Und was?«
»Ich kann es dir nicht sagen.« Sie senkte ihre Stimme. »Ein kurzer Ruck reicht schon. Dann gleitet das Band durch dein Fleisch und zerschneidet dir die Kehle.«
Das hätte sie mir nicht zu sagen brauchen. Wahrscheinlich war dem auch so, aber ich wollte Zeit schinden, deshalb fragte ich. »Wo steckt dein Mr. Doll?«
»Er ist hier.«
»Ich habe ihn nicht gesehen!«
»Doch, John Sinclair, du wirst mich sehen. Diesen Gefallen bin ich dir schuldig.«
Die Männerstimme hallte durch das Zelt. Sie drang aus der Düsternis und konnte einem Menschen Angst einflößen. Ich spürte es kalt meinen Rücken hinablaufen, hätte gern den Kopf angehoben, aber die geringste Bewegung konnte tödlich für mich enden.
Deshalb stand ich da und wartete.
Schräg über dem Altar und dicht unter dem Dach erschien der Schatten. Er war dunkel, fast schwarz und hob sich deshalb vor dem etwas helleren Hintergrund ab.
Zwei große Fäuste fielen mir auf. Sie umklammerten einelange Holzstange, die zur Führung der einzelnen Marionetten diente. Nur sah ich keinen Kopf, nur eben die beiden Hände, aber ich hörte die Stimme. »Kannst du mich jetzt sehen?«
»Nur die Hände. Wo befindet sich dein Kopf?«
Da lachte Mr. Doll. »Hast du schon jemals den Schädel eines Geköpften gesehen, Sinclair?«
Mit dieser Frage hatte er mich überrascht. Ich wandte mich an Moira. »Stimmt das?«
»Wenn er es sagt.« Sie sprach den nächsten Satz lauter. »Mr. Doll, er glaubt dir nicht.«
»Wieso?«
»Du solltest es ihm erklären, bevor du ihn mir und meiner Rache überlässt. Ja?«
Der unheimliche Puppenspieler überlegte einen Moment. »Ja«, stimmte er zu. »Ich bin einverstanden. Ich werde euch den Gefallen tun und etwas aus meinem Leben berichten…«
***
Ian Dentry und James Ascott wussten nicht, dass ihr Kumpel Hank Bowler tot war. Sie waren in verschiedene Richtungen auseinander gegangen, hatten aber den dichteren Bewuchs hinter sich gelassen und standen nun vor dem Zelt. Der dunkle Planenaufbau kam ihnen in dem Park wie eine kleine Insel vor, die so gar nicht zum spätsommerlichen Grün der Bäume und Wiesen passen wollte.
Da beide das Gefühl hatten, aus dem Zelt heraus beobachtet zu werden, hielten sie sich in Deckung und warteten ab. Über Sprechfunk nahmen sie miteinander Kontakt auf.
Ian meldete sich als Erster. »Ich habe den Punkt erreicht.«
»Ebenfalls!«, klang Ascotts Stimme zurück.
»Und was ist mit Hank?«
Da wusste Ascott keine Antwort. Er fragte nur: »Hast du ihn nicht gesehen?«
»Nein.«
»Dann müsste er ja noch unterwegs sein.«
»Das ist möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich. Er hatte es ja näher.«
Die beiden beschlossen, zunächst einmal abzuwarten. Als weitere Minuten vergangen waren und sich auch in der
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