0399 - Totentanz im Urnengrab
Auto bleiben?« fragte ich.
»Nein, hier nicht. Im Schatten der Kirche sind wir sicher. Da stiehlt niemand etwas. Die Leute hier sind eben zu abergläubisch.«
»Wir wollen es hoffen.«
Den Pfarrer hatten wir noch nicht zu Gesicht bekommen, wußten aber trotzdem, wo er sich aufhielt, denn aus einem kleinen Anbau neben der Kirche hörten wir hellen Gesang. Dort übte der Geistliche mit einer Kinderschar. Wir betraten den Raum, sahen die besetzten Stuhlreihen und den Pfarrer auf einem kleinen Podest stehen und dirigieren.
Er hatte uns sofort gesehen, ließ die Kinder das Lied zu Ende singen und beendete dann die Stunde. Laut schreiend stürmten die Kinder nach draußen.
Padre Sainho kam auf uns zu. Über seine Lippen floß ein Lächeln.
Dieser grauhaarige Mann in seiner hellen Hose und dem dunkelblauen Hemd, der so gar nicht wie ein Geistlicher aussah, war mir auf den ersten Blick sympathisch.
Wir begrüßten uns, stellten uns gegenseitig vor, und als der Pfarrer den Namen John Sinclair hörte, nickte er. »Ja, Sie habe ich sogar erwartet.«
»Wieso?«
»Ich habe von Ihnen gehört, aber davon später. Lassen Sie uns gehen!« Er führte uns in einen wesentlich kleineren Nebenraum, der ihm als Arbeitszimmer diente. Ich war überrascht, hier ein Telefon und elektrisches Licht vorzufinden. So etwas konnte man in dieser Gegend eigentlich nicht voraussetzen. »Dieses Privileg muß mir gestattet sein«, erklärte der Pfarrer, als ich ihn darauf angesprochen hatte. »Ein Telefon kann oft Leben retten.«
»Das glaube ich Ihnen gern.«
Wir setzten uns, dann begann der Geistliche zu berichten. Er sprach mit uns über die Erlebnisse des Jungen Manuel und war der Ansicht, daß sich der Kleine nicht getäuscht hatte. »Es müssen drei Zombies unterwegs sein, und dies schon seit mehreren Tagen.«
»Ich glaube nicht an lebende Leichen«, sagte Pete.
»Das steht Ihnen frei, aber wir gehen davon aus«, erwiderte der Pfarrer.
»Sind die Zombies inzwischen auch von anderen Zeugen gesehen worden?« fragte ich.
»Nein. Jedenfalls ist mir nichts bekannt.«
»Und Manuel hat sie nicht entdeckt?«
»Das ist richtig.«
Ich wollte das Thema nicht weiter erläutern und berichtete von dem, was uns widerfahren war. Der Pfarrer hörte aufmerksam zu.
Nur einmal hob er die Augenbrauen an, als ich den alten Friedhof erwähnte und danach sagte: »Damit hätten wir auch den Kern des Problems erfaßt. Wissen Sie, welcher Friedhof gemeint sein kann?«
Der Padre wiegte den Kopf. »Das ist gar nicht so einfach. Wir haben hier in Rio zahlreiche Friedhöfe…«
»Es muß einer sein, auf dem auch Urnen zugelassen sind.«
»Da gibt es auch mehrere.«
»Und wenn Sie davon ausgehen, daß wir den nehmen, der Ihrer Kirche am nächsten liegt?«
»Daran habe ich natürlich auch gedacht. Ich kenne ihn. Es wird dort niemand mehr begraben, weil er am Hang liegt und man Angst hat, daß bei starken Regenfällen die Särge freigelegt werden. Aber Sie haben recht. Dort sollten wir uns umschauen.«
»Dann wollen Sie auch mit?« fragte Pete.
»Das ist selbstverständlich«, antwortete der Geistliche.
Ich konnte es ihm nicht verbieten, wies ihn aber auf die Gefahren hin, die uns möglicherweise erwarteten.
Pete mischte sich ein und holte seinen Revolver hervor. »Damit werde ich allem begegnen.«
Das war dem Pfarrer nicht recht. »Man kann nicht jedes Problem mit der Waffe lösen, Senhor Ravina.«
»Aber manchmal ist es gut.«
Es hatte keinen Sinn, darüber weiter zu diskutieren. Ich fragte den Padre, wann wir loskonnten und ob wir den Wagen nehmen mußten.
»Nein, nur kein Auto. Sie können es ruhig hier zurücklassen. Es wird ihm nichts geschehen. Ich rede mit den Kindern. Sie geben acht, als wäre es ihr Eigentum.«
Pete Ravina grinste schief. Er dachte wohl an die Szene, die wir vor dem Wohnblock erlebt hatten, gab aber keinen Kommentar. Der Padre entschuldigte sich und verließ das Haus. Wir hörten ihn draußen sprechen, und ich sagte: »Ein eindrucksvoller Mann. Wer hier kämpft, der hat es bestimmt nicht leicht.«
»Kämpfen und überleben. Das ist die Devise in diesen Vierteln. Hier haben die Geistlichen nicht allein mit ihrer Umwelt zu kämpfen, auch mit Schwierigkeiten aus den eigenen Reihen, wenn Sie verstehen.«
»Ja, die Amtskirche.«
»Genau.«
Der Pfarrer kam zurück. Erst als er nahe bei uns stand, sah ich das Kreuz, das er sich umgehängt hatte. Es hing nicht vor seiner Brust, sondern an der Seite in Höhe des äußeren
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