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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sie aufgehängt war. Dann stellte sie die Lampe ab und begann mit ihrem Messer, den Nagel auszubohren. Nach einer Weile hatte sie rundherum genügend Holz entfernt, um ihn zu lockern, und nach einer weiteren Weile hatte sie genug an ihm gewackelt und konnte ihn nun mühelos herausziehen. Dann machte sie sich wieder an ihre Aufgabe.
    »Ich begreife immer noch nicht, wie Ihr hierhergekommen seid, Fidelma«, sagte Eadulf und sah zu, wie sie den Nagel im Schloß herumdrehte.
    »Das kann ich nicht so schnell erklären. Viel wichtiger ist jedoch die Frage, wie Ihr hierhergekommen seid.«
    »Ich reiste als Passagier auf einem gallischen Handelsschiff. Der Kapitän lief diesen Hafen an, um Waren zu tauschen, und plötzlich wurden wir alle gefangengenommen.«
    »Wo sind die anderen Gefangenen?«
    »Die meisten sind zum Arbeiten in den Minen eingesperrt. Es gibt hier Kupferminen …«
    »Ich weiß. Ah! Das war’s.«
    Der Mechanismus klickte, und sie löste die Fußfessel von seinem Knöchel.
    Eadulf begann die Druckstelle zu massieren.
    »Nun, es fällt mir nicht schwer, mich der Gastfreundschaft dieser Leute hier zu entziehen«, murmelte er. Dann blickte er verlegen zu der geschlossenen Tür, die diesen Teil der Hütte von dem zweiten Raum trennte. »Aber …«
    »Was ist los?« fragte Fidelma ungeduldig und ging bereits auf die Tür zu. »Wir sollten jetzt gehen. Unser Glück kann schließlich nicht ewig währen.«
    »Im Nebenzimmer wird eine ältere Nonne gefangengehalten. Sie ist schon seit mehreren Wochen hier, und ich würde sie nur ungern zurücklassen. Können wir sie nicht mitnehmen?«
    Fidelma zögerte keinen Augenblick.
    »Ist sie allein?«
    Eadulf nickte.
    Fidelma nahm die Lampe, ging vorsichtig zum Nebenraum und öffnete die Tür.
    Eine ältere, weißhaarige Frau lag auf einem Strohsack in der Ecke und schlief. Wie bei Eadulf steckte einer ihrer Knöchel in einer eisernen Fußfessel, die mit einer Kette an der Wand befestigt war.
    Fidelma ging neben ihr in die Hocke und schüttelte sie sanft.
    Die Nonne erwachte und riß angstvoll die Augen auf. Sie öffnete den Mund, doch Fidelma legte ihr einen Finger auf die Lippen und lächelte ermutigend.
    »Ich bin hier, um Euch zu helfen. Ihr seid vermutlich Schwester Comnat?«
    Die Frau musterte sie erstaunt und nickte.
    Fidelma ergriff den Nagel und beugte sich über das Schloß.
    »Das haben wir gleich.«
    Schwester Comnat blickte von Fidelma zu Eadulf, der im Türrahmen stand und sein Bein streckte und massierte, um die Durchblutung anzuregen.
    »Gott sei Dank!« flüsterte die ältere Schwester. »Dann ist Schwester Almu also sicher durchgekommen?«
    Fidelma preßte die Lippen fest zusammen und schüttelte schnell den Kopf.
    »Darüber sprechen wir später.«
    Das Schloß an Schwester Comnats Fessel war nicht so schwer zu öffnen wie das von Bruder Eadulf, oder aber Fidelma hatte schon mehr Erfahrung in der Kunst des Schloßaufbrechens. Ein hörbares Klicken, und die Fußfessel fiel ab.
    »Was nun?« fragte Eadulf. »Hier treiben sich viele Krieger herum.«
    Fidelma half der geschwächten Nonne aufzustehen.
    »In der Nähe warten Freunde auf uns. Mit Pferden. Kommt.«
    Sie stützte Schwester Comnat, die vor Schwäche schwankte, und führte sie zur Haustür.
    »Seht draußen nach, ob die Luft rein ist«, wies sie Eadulf an.
    Der hochgewachsene Mönch nickte knapp und zog die Tür auf. Gleich darauf meldete er sichtlich zufrieden: »Niemand zu sehen.«
    »Dann brechen wir auf. Geht seitlich um die Hütte herum und in den Schutz des Waldes dahinter. Leise, es gibt hier mindestens einen Hund.«
    Sie verließen die Hütte, und Fidelma bedeutete Eadulf, die Tür zu schließen und den hölzernen Querbalken an seinen Platz zurückzuschieben, so daß diese, von außen betrachtet, nach wie vor verschlossen wirkte. Vorsichtig schlichen sie zur Ecke des Gebäudes. Ganz in der Nähe begann ein Hund zu jaulen, und sein Geheul wurde von den Wölfen hoch oben in den Bergen beantwortet. Sie hörten Fluchen und dann durchdringendes Winseln. Offensichtlich hatte der verärgerte Hundebesitzer etwas nach dem armen Tier geworfen.
    Fidelma führte sie seitlich an der Hütte vorbei in den darunterliegenden, dichten Wald. Hier stand eine Gruppe von Eiben mit runden Baumkronen, dort wucherten in verschwenderischer Fülle Stechpalmengewächse, vor allem die weiblichen Arten mit ihren leuchtendroten Beeren, und überall wuchsen junge Bäume mit grüner Rinde. Efeu rankte sich an den Stämmen und

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