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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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jedenfalls kein Zweifel, denn durch die charakteristischen Gewänder, die sie trug, waren ihr Geschlecht und ihr Beruf unverkennbar. Warum aber sollte der Sohn des Prinzen der Uí Fidgenti, der zu Besuch in dieser Gegend weilte, eine Nonne töten wollen?
    Plötzlich bekam sie eine Gänsehaut.
    Eine Nonne war bereits getötet worden. Jemand hatte sie enthauptet und ihren Leichnam in den Brunnen der Abtei gehängt. Fidelma war sicher, daß es sich bei der Toten ohne Kopf um eine Glaubensschwester handelte. Das sagten ihr ihr Instinkt und die Beweise, die sie bisher gesammelt hatte. Sie erschauerte. War sie nahe daran gewesen, dem namenlosen Leichnam ins Jenseits zu folgen?
    Unvermittelt wurde Fidelma aus ihren Gedanken gerissen. Sie hob den Kopf: erneut drang Hufgetrappel an ihr Ohr. Kehrte Torcán noch einmal zurück? Fidelma stand reglos da und spähte den Weg entlang. Der Reiter mußte gleich bei ihr sein. Da tauchte er schon aus dem dämmrigen Unterholz auf. Es war Adnár.
    Der stattliche schwarzhaarige Häuptling schwang sich mühelos vom Pferd, noch bevor das Tier stehengeblieben war. Er begrüßte Fidelma mit besorgten Blick.
    »Olcán hat mir berichtet, daß ihr ihn und Torcán hier auf der Straße durch den Wald getroffen habt und daß Ihr auf dem Weg zu meiner Festung seid. Er erzählte auch etwas von einem sehr bedauerlichen Vorfall. Ist das wahr?« Adnár musterte sie fragend.
    »Ein Beinahe-Unfall«, verbesserte ihn Fidelma steif.
    »Seid Ihr verletzt?«
    »Nein. Es ist nichts passiert. Wie dem auch sei, ich war tatsächlich auf dem Weg zu Euch. Euer Kommen erspart mir die Mühe, meine Reise fortzusetzen.« Sie drehte sich um und deutete auf einen umgestürzten Baumstamm. »Setzen wir uns ein Weilchen dort hin.«
    Adnár band die Zügel seines Pferdes an einen gekrümmten Ast des toten Baumes und gesellte sich zu ihr.
    »Ihr seid mir gegenüber nicht ganz ehrlich gewesen, Adnár«, eröffnete Fidelma das Gespräch.
    Der Häuptling zuckte vor Verblüffung zusammen.
    »In welcher Hinsicht?« verteidigte er sich.
    »Ihr habt mir weder etwas davon gesagt, daß Äbtissin Draigen Eure leibliche Schwester ist, noch hat Bruder Febal erwähnt, daß er früher mit Draigen verheiratet war.«
    Fidelma hatte nicht mit dem amüsierten Blick gerechnet, der Adnárs sympathisches Gesicht erhellte. Er schien eine ganz andere Anschuldigung erwartet zu haben und ließ nun erleichtert die Schultern sinken.
    »Ach, das!« rief er in wegwerfendem Tonfall.
    »Ist es für Euch nicht von Bedeutung?«
    »Kaum«, gab Adnár zu. »Meine Verwandtschaft mit Draigen ist nichts, womit ich mich zu rühmen wünsche. Glücklicherweise hat sie das rote Haar unseres Vaters geerbt, ich dagegen die schwarze Mähne unserer Mutter.«
    »Glaubt Ihr nicht, daß die Erwähnung Eures Verwandtschaftsverhältnisses für mich wichtig gewesen wäre?«
    »Hört zu, Schwester, es ist mein Unglück und vielleicht auch Draigens Unglück, daß wir dem gleichen Schoß entstammen. Was Febal betrifft, so will ich nicht an seiner Stelle sprechen.«
    »Dann sprecht für Euch. Haßt Ihr Eure Schwester wirklich so sehr, wie es den Anschein hat?«
    »Sie ist mir gleichgültig.«
    »Gleichgültig genug, um zu behaupten, sie habe widernatürliche Affären mit ihren Untergebenen?«
    »Das entspricht nur der Wahrheit.«
    Adnár sagte das ernst und ohne Zorn. Fidelma war bereits Zeugin seines aufbrausenden Temperaments geworden und war überrascht, wie ruhig er jetzt wirkte, während er, eine Hand zwischen die Knie geklemmt, auf dem Baumstamm saß und verdrossen vor sich hin starrte.
    »Vielleicht solltet Ihr mir die Geschichte ganz erzählen?«
    »Sie ist für Eure Untersuchung nicht von Bedeutung.«
    »Und doch behauptet Ihr, daß Draigens sexuelle Neigungen bedeutsam sind. Wie soll ich mir denn ein Urteil bilden, wenn ich nicht die ganze Wahrheit kenne?«
    Adnár hob kaum merklich die Schultern, als wolle er mit den Achseln zucken, überlegte es sich dann aber anders.
    »Hat sie Euch erzählt, daß unser Vater, dessen Namen ich trage, ein óc-aire war, ein ganz normaler Bauer, der sein eigenes Stückchen Acker bestellte, jedoch nicht über genügend Land- oder sonstigen Besitz verfügte, um seine Familie damit ernähren zu können? Sein Leben lang bearbeitete er ein kleines Fleckchen unfruchtbaren Bodens an einem felsigen Berghang. Unsere Mutter half ihm dabei, und zur Erntezeit brachte sie unsere mageren Erträge ein, während mein Vater sich bei dem örtlichen

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