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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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dunkler Schatten die Treppe heruntergestürmt. Das geschah so plötzlich, daß ich beiseitegestoßen wurde und mir die Kerze aus der Hand flog. Die Fliehende drängte sich an mir vorbei und verschwand.«
    »Was dann?«
    »Ich stieg die Treppe weiter hinauf bis in diesen Raum.«
    »Ohne Kerze?«
    »Ich sah, daß die Laternen brannten, genau wie jetzt. Dann erblickte ich Schwester Síomhas Leichnam.«
    »Die Leiche ohne Kopf, die auf dem Boden lag?«
    Äbtissin Draigen wurde plötzlich wütend.
    »Die Person, die auf der Treppe an mir vorbeistürmte, war Schwester Berrach. Daran gibt es keinen Zweifel. Da Ihr Berrach kennt, wißt Ihr auch, daß man sie unmöglich mit jemand anderem verwechseln kann.«
    Fidelma hätte durchaus einräumen können, daß Draigen in diesem Punkt recht hatte, aber sie wollte sichergehen.
    »Das ist es ja gerade, was mich verwirrt. Ihr sagtet, Schwester Berrach ›kam die Treppe heruntergestürmt‹ – das waren Eure Worte –, aber wir beide wissen, daß sie an einer Gehbehinderung leidet. Seid Ihr sicher, daß es Berrach war? Vergeßt nicht, daß Euch die Kerze aus der Hand fiel und daß die betreffende Person sich im Dunkeln an Euch vorbeidrängte.«
    »Vielleicht habe ich in der Aufregung eine falsche Formulierung benutzt. Die Fliehende bewegte sich zwar recht behende, aber trotzdem würde ich ihre unförmige Gestalt überall erkennen.«
    Fidelma stimmte insgeheim mit ihr überein: man verwechselte Schwester Berrach nicht leicht mit jemand anderem.
    »Und nachdem sie an Euch vorbeigerannt war …?«
    »Bin ich unverzüglich zu Euch gekommen, damit Ihr Euch diesen Wahnsinn anseht.«
    Fidelma blickte finster drein. »Machen wir uns auf die Suche nach Schwester Berrach.«
    Äbtissin Draigen hatte, nachdem sie ihre Geschichte losgeworden war, die Kontrolle über sich wiedererlangt. Sie ließ ein zynisches Grunzen hören.
    »Die ist inzwischen bestimmt aus der Abtei geflohen.«
    »Selbst in diesem Falle wird sie, sofern ihr nicht ein Pferd zur Verfügung steht und sie reiten kann, noch nicht sehr weit gekommen sein. Trotzdem …«
    Beim Geräusch leiser Schritte auf der Treppe unter ihnen verstummte Fidelma.
    Die Äbtissin trat vor, als wolle sie etwas sagen, doch Fidelma legte einen Finger auf die Lippen und bedeutete ihr, zurückzutreten. Jemand kam die Stufen herauf, direkt zum Raum mit der Klepsydra.
    Fidelma merkte, wie sich ihr Körper verkrampfte, und ärgerte sich darüber. Wenn sie überhaupt etwas trainiert hatte, dann, nicht auf Reize von außen zu reagieren, so daß sie jederzeit auf alles vorbereitet war. Vorsichtig entspannte sie ihre Muskeln und stellte sich neben die Äbtissin, so daß der Neuankömmling, wer auch immer das sein mochte, ihnen den Rücken zuwandte. Eine Schwester im Habit der Gemeinschaft kam die Treppe herauf. Fidelma sah sofort, daß es sich nicht um eine der jungen Schwestern handelte. Sie hatte sie erkannt, noch bevor sie sich umdrehte.
    »Schwester Brónach! Was habt Ihr um diese Zeit hier zu suchen?«
    Brónach zuckte vor Schreck und Überraschung heftig zusammen. Nachdem sie zuerst Fidelma und dann die Äbtissin erkannte, entspannte sie sich.
    »Nun, ich komme gerade aus der Kammer von Schwester Berrach. Sie ist vollkommen durcheinander. Sie erzählte mir, daß hier ein Mord begangen wurde.«
    »Ihr habt sie gesehen?« wollte Draigen wissen. »Sie hat Euch geweckt?«
    »Nein. Ich war bereits wach. Ich wollte gerade zum Turm gehen«, erklärte Brónach. »Mir war aufgefallen, daß seit dem letzten Gongschlag schon einige Zeit vergangen war. Tatsächlich mußten schon mehrere Zeitabschnitte verstrichen sein, seit ich zuletzt einen vernommen hatte. Also bin ich aufgestanden, um herzukommen und nachzusehen, was mit der Zeitnehmerin los ist. Als ich meine Kammer gerade verlassen wollte, hörte ich, wie jemand den Korridor entlangeilte. Ich erkannte Schwester Berrach, ging zu ihr und fand sie völlig verstört auf ihrem Bett sitzend vor. Sie erzählte mir, daß Schwester Síomha tot sei, und ich kam sofort hierher, um nachzusehen, ob vielleicht ihre Phantasie …«
    Plötzlich fiel ihr Blick auf den hingestreckten Körper auf dem Fußboden hinter Fidelma. Sie schlug die Hand vor den Mund, und ihre Augen weiteten sich angsterfüllt.
    »Es ist Schwester Síomha«, bestätigte die Äbtissin ernst.
    Fidelma, die Brónachs Mienenspiel beobachtete, glaubte, einen Ausdruck der Erleichterung über ihr Gesicht huschen zu sehen – doch er war verschwunden, bevor sie

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